Analyse des Bestellerprinzips: Die Verlierer sind die Einkommensschwachen

Das Bestellerprinzip kommt! Die gute Nachricht zuerst:

Sie als Mieter können sich darauf einstellen, nur noch dann eine Maklerprovision bezahlen zu müssen, wenn Sie den Makler mit der Wohnungssuche beauftragen und er Ihnen erfolgreich eine Wohnung vermittelt.

Genau dies hatten die Initiatoren mit dem Vorstoß bezweckt. Nun werde ich Sie mit einigen Nebeneffekten konfrontieren, die das Bestellerprinzip mit sich bringt – und über die Sie als Mieter und Wähler nicht aufgeklärt wurden.

Kleinvermieter werden keinen Makler mehr engagieren, Großvermieter wählen den Vermittler, der ihnen den günstigsten Preis macht

Ob es der IVD (Immobilienverband Deutschland) nun zugibt oder nicht: Nahezu jeder Vermieter, der Maklerkosten vermeiden kann, wird dies auch tun. Entweder wird er versuchen, das neue Gesetz zu umgehen, sofern es legale Möglichkeiten dazu gibt, oder er wird die Vermietung seiner Objekte fortan selbst übernehmen. So haben Sie es als Mietinteressent vermutlich auch gemacht und zuerst nach provisionsfreien Angeboten Ausschau gehalten. Vermieter, die die Vermietung ihrer Objekte selbst bewerkstelligen können, sind in der Regel Eigentümer, die wenige Einheiten besitzen – höchstens zwanzig. Um die übrig gebliebenen Großvermieter wird ein Konkurrenzkampf in der Branche entstehen. Der Markt wird sich über den Preis pro Vermietung regulieren. Der Makler, der am günstigsten vermietet, bekommt den Auftrag.

Bestellerprinzip Gewinner-Velrierer

Vom Vermieter-Makler können Sie als Interessent keine Hilfe und keinen Service mehr erwarten 

Die Interaktion des Mietinteressenten mit dem Makler wird sich grundlegend ändern.  Der Vermieter-Makler (also der vom Vermieter beauftrage Makler) verdient an Ihnen kein Geld. Ergo: Sie sind auch nicht mehr sein Kunde. Nach der Reform sind Sie deshalb bei der Wohnungssuche komplett auf sich allein gestellt, sofern Sie keinen Makler beauftragen, der für Sie arbeitet. Und ob Sie einen solchen überhaupt noch finden werden, ist in Anbetracht des knappen Marktes nicht sicher. Warum? Ein Makler, der sich von Ihnen allein mit der Suche einer Mietwohnung beauftragen lässt, darf nicht mehr als zwei Kaltmieten Provision plus Mehrwertsteuer dafür berechnen. Der Gesetzentwurf sieht derzeit eine exklusive Suche vor: Eine Wohnung, die ein Makler einem Interessenten angeboten hat und die dieser ablehnt, darf derselbe Makler keinem zweiten Interessenten mit Provision anbieten. Tritt dieser Gesetzentwurf in Kraft, wird die Objektsuche im Mieterauftrag für Makler grundsätzlich unwirtschaftlich.

|| zum Thema: Provision bye-bye: Alles neu, alles anders, alles besser? ||

Vor dem Vermieter haben Sie als Mieter weiterhin schlechte Karten

In der Geschäftsbeziehung zum Vermieter sind Sie als Mieter austauschbar – insbesondere in Ballungsgebieten, in denen Dutzende Interessenten pro angebotener Wohnung zur Verfügung stehen. Für den Makler werden Sie vom Profitfaktor zum Kostenfaktor, den er minimieren muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben und sein eigenes Überleben zu sichern. Hoffentlich haben Sie kein Problem mit Massenbesichtigungen, diese werden zum Standard – auch bei Unternehmen wie meinem, die sich bisher immer gegen Gruppentermine ausgesprochen haben. Wenn die Marge sinkt, muss der Aufwand pro Vermietung reduziert werden und dieser Aufwand bedeutet für den Makler Arbeitszeit.

Der Markt wird weniger transparent und die Wohnungssuche wird komplizierter

Betrachten wir einmal die vielen Kleinvermieter (mit bis zu 20 Einheiten). Wie werden sie sich künftig verhalten? Kleinvermieter werden keinen Makler mehr mit ins Boot nehmen und künftig provisionsfrei „von privat“ inserieren. Wussten Sie, dass der Makler für den Vermieter die Vermarktungskosten komplett übernommen hat? Eine Anzeige im Immobilienscout24 kostet zwischen 60,00 EUR und 90,00 EUR, in der Tageszeitung inseriert der Privatvermieter im allgemeinen Anzeigenteil deutlich günstiger. Hier wird es zu Preissteigerungen kommen. Eine Anzeige mit bunten Bildchen im Internet wird trotzdem nur dann noch gewählt werden, wenn eine Vermietung unter Zuhilfenahme günstigerer Medien nicht möglich ist. Eventuell erlebt sogar der Aushang im Supermarkt eine Renaissance. Viele der Kleinvermieter sind ältere Menschen. Sie nutzen oft andere Medien als das Internet.

Die Wohnung zu bekommen wird schwieriger, das Wohnungsangebot über die derzeit gängigen Kanäle wird geringer

Die Durchführung einer Vermietung umfasst für einen Immobilienmakler etwa 20 Stunden Arbeitszeit. Die Leistung enthält Objektfotografie, Bewertung, Exposéerstellung, Terminvereinbarung und Vorgespräche, Besichtigungstermine, das Einsammeln der erforderlichen Unterlagen, Vertragserstellung, Abwicklung und Übergabe. Auch wenn der Kleinvermieter die Kosten für den Makler nicht übernimmt, muss diese Arbeit erledigt werden. Er tut sie also selbst. Glauben Sie mir: Vermietungen sind schon anstrengend, wenn Sie eine gewisse Routine besitzen. Der Vermieter, der dies nur sporadisch erledigt (und der nach einem erfolgreichen Abschluss „nur” die Fortführung seiner ohnehin existierenden Einnahmequelle erhält statt einer Provision), wird versuchen, alles möglichst schnell über die Bühne zu bringen – unter anderem, weil er sich nicht länger als nötig dem ständig klingelnden Telefon aussetzen möchte. Auch Besichtigungen werden aufgrund der mangelnden Routine in anderer Qualität durchgeführt. Die Vermietung ist eben „von privat“ und nicht „von professionell“. Fehlende Kompetenz kann man keinem Vermieter vorwerfen. Dass er kostenbewusst handelt, erst recht nicht. Als zielgelenktes Individuum (das Ziel ist hier die Vermietung) wird er sich bemühen, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Diese bestehen aus zwei Komponenten:

A)             persönliche Arbeitszeit
B)             Werbekosten des Inserats

Beide Elemente wurden bisher vom Makler stillschweigend übernommen und mit der Mieterprovision kompensiert.

Top-Mieter werden bei der Vergabe stärker berücksichtigt.

Der Vermieter möchte diesen Kostenblock also so selten wie möglich „investieren“. Aus diesem Grund werden Mieter bevorzugt, von denen eine geringe Fluktuation, also ein langfristiges Mietverhältnis zu erwarten ist. Gehören Sie zu der präferierten Mietergruppe (idealerweise alleinstehende Beamte mittleren Alters), sind Sie ein Gewinner der anstehenden Reform. Allerdings ist es Ihnen auch bisher schon leicht gefallen, eine passende Wohnung zu finden. Es steht ebenfalls zu erwarten, dass Vermieter verstärkt Mindestmietverträge mit langen Kündigungsfristen abschließen werden: Die Mobilität des Mieters sinkt. Ein Teil des Angebots wird im Zuge von Mietpreisbremse und Bestellerprinzip wegfallen, weil viele Vermieter sich (bei den derzeit hohen Preisen) zum Verkauf des Objekts entschließen werden, um sich den Kosten und dem Arbeitsaufwand des Vermietens zu entziehen.

Sinkende Transparenz des Mietmarktes, Vertriebskanäle ändern sich.

Um Aufwand und Kosten zu reduzieren, werden Vermieter zunehmend auf Suchanzeigen von Mietern zurückgreifen. Wohnungen werden seltener im „freien Markt” zugänglich sein. Bei sinkenden Angebotszahlen wird die Kalkulation eines fairen Preises schwerer. Sie können weiterhin davon ausgehen, dass Suchanzeigen für Mieter auf Internetportalen bald nur noch entgeltlich möglich sein werden. Im Rahmen einer Suchanzeige haben Sie nicht mehr die Möglichkeit, sich persönlich vor dem Vermieter zu präsentieren, falls Ihre Eckdaten nicht dem gewünschten Mieter-Muster entsprechen. Bislang konnten Sie beim Besichtigungstermin durch gutes Auftreten immer noch Punkte sammeln.

 

Anmerkung: Das Gesetz wurde inzwischen in der oben angeführten Version vom Bundestag verabschiedet und muss ab 1. Juni 2015 umgesetzt werden. Mietercoach.de informiert Sie als Mieter stets aktuell über die neue Situation.

 

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Wohnungssuche: Anfragen auf Immobilienportalen richtig stellen. 

Die Top-10-Sätze, die Sie NIEMALS in der Besichtigung sagen sollten!

Lesen Sie hier, welche Änderungen sich für Mieter mit Einführung des Bestellerprinzips ergeben werden