Angespannter Wohnungsmarkt: Wie das Bestellerprinzip „neben-„wirkt

Das Bestellerprinzip wirkt, schreibt die Bildzeitung am 3. November. In gewohnt leutseliger Ausdrucksform bezieht sich das Blatt auf eine Erhebung des Statistischen Bundesamts: „Seit Mieter nicht mehr für den Makler blechen müssen, den sie gar nicht bestellt haben, sparen die Deutschen beim Umzug richtig viel Geld.“

„Makler sind so wichtig wie Damenstrumpfhosen“, titelt die Süddeutsche Zeitung und mutmaßt, dass die Kostenersparnis für Mieter eventuell noch größer sei, als bisher angenommen.

Tatsächlich haben es Makler seit Juni 2015 schwer. Die Gewinne im Mietbereich sind massiv eingebrochen. Nach einem Bericht des SWR hat so mancher Vermittler inzwischen Schwierigkeiten, seine eigene Miete zu bezahlen.

Derartige Meldungen freuen Mieter. Der Feind liegt in Ketten!

Klar ist: Das neue Gesetz holt viele Möchtegernvermittler, die sich in arroganter Selbstverständlichkeit auf Kosten von Mietern bereicherten, zurück auf den Boden der Tatsachen.

Konfrontiert mit Existenzängsten bemühen sich einige schwarze Schafe, das Gesetz zu umgehen. Sie versuchen den Suchkunden mit Fake-Anzeigen zu ködern um ihm dann doch ein Angebot provisionspflichtig zu vermieten. Sie klassifizieren sich selbst als Relocation-Anbieter oder „Dienstleister“, oder fordern Kostenpauschalen für einen unverbindlichen Besichtigungstermin.  Es handelt sich hier um offenkundige Umgehungsversuche der neuen Regelung. Ein solcher Umgehungsversuch kann mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 EUR geahndet werden.

Diskussionswürdig erscheint dennoch die Entrüstung der Mietinteressenten und Medien über das unseriöse Vorgehen der „gesetzlosen“ Makler.
Denn, wie eh und je, stehen sie doch vor der Wahl. Kein Makler zwingt den Mietinteressenten, auf sein Angebot einzusteigen. Insbesondere wenn dieser auf den ersten Blick erkennt, dass es sich um einen ordnungswidrigen Umgehungsversuch handelt, sollte der gesetzestreue Mietinteressent doch spätestens hier einfach von dem fragwürdigen Angebot Abstand nehmen.

Möchte der Mieter gar nichts mehr mit Maklern zu tun haben, könnte er einfach auf private Inserate antworten, die es im neuen, mieterfreundlich regulierten Marktumfeld zuhauf geben müsste. Schließlich wollen laut Presseberichten 6 von 10 Privatvermietern, die früher eine Makler eingeschaltet haben, die Vermietung jetzt aus Kostengründen selbst übernehmen.

Wenn zur kostenpflichtigen Besichtigung des betrügerischen Maklers niemand erscheint, wird er sein Geschäftsgebaren mittelfristig wieder einstellen (müssen). Oder?

Wenn sich Mietinteressenten und Medien aber derart darüber empören, dass Makler zu Unrecht Forderungen stellen, erkennen sie gleichermaßen an, dass Ihnen das „Türaufschließen“, also der „Service“ des  Vermittlers, zumindest wichtiger sein muss, als eine Damenstrumpfhose.

Während sich „gierige Makler“ Umgehungsmöglichkeiten überlegen, haben sich redliche Vermittler inzwischen mit der Situation arrangiert. Sie arbeiten nun weitestgehend provisionsfrei für den Mieter und dabei ausschließlich für den Vermieter, von dem sie bezahlt werden. Natürlich verdienen sie jetzt weniger als zwei Kaltmieten plus Mehrwertsteuer für jede Vermietung. Dafür sparen sie eben am Service für den Mietinteressenten. Individuelle Terminvereinbarung? Einzelbesichtigung? Abklären von Fragen vor der Besichtigung? Solche Serviceleistungen für den Mieter werden genau dann zur Verfügung gestellt, wenn der Vermieter bereit ist, dafür zu bezahlen… Selten.

Gibt dieser Preissturz bei den Provisionen der Bildzeitung also recht? Wirkt das Bestellerprinzip?

Zweifelsohne richtet sich das Bestellerprinzip nicht nach dem „Marktwirtschaftlichen Prinzip“, wie es dem Wähler vorgegaukelt wurde, sondern reguliert bewusst gegen Marktkräfte, die eine Folge der angespannten Wohnungsmärkte in deutschen Großstädten sind.

Problematisch ist dabei insbesondere die Formulierung der „Ausschließlichkeit“ bei der Immobiliensuche. Der Makler muss die Immobilie AUSSCHLIESSLICH für den Mieter gefunden haben, der ihn mit der Suche beauftragt hat. Daraus folgt:

Der Mieter muss nicht nur die Provision nicht mehr bezahlen, vielmehr DARF er nicht mehr bezahlen, außer in absoluten Sonderfällen.  

Zuvor nicht einkalkulierte Nebenwirkungen beschreibt Prof. Stephan Kippes von der Universität Nürtingen-Geislingen auf dem Blog des IVD. Hier berichtet er von einem Treffen mit Mitgliedern aus dem Sozialreferat einer süddeutschen Großstadt, die ihn baten, legale Möglichkeiten zur Zahlung der Provision nach bisherigen Maßstäben zu finden. Bis Juni wurden die Maklerprovisionen der Wohnungssuche für sozial Benachteiligte nämlich vom Amt übernommen.

Kippes schreibt: „Insofern werden Makler in diesem Segment, wo es ohnehin schon schwierig ist Wohnungen für Problemgruppen zu finden, nicht tätig werden können bzw. wollen, wenn sie dann auch noch ihre Provisionierung beim Vermieter durchsetzen müssen.“

Er zieht ein unerfreuliches Resümee: „Dies zeigt aber wie schlecht das sogenannte Bestellerprinzip auch in diesem Punkt handwerklich gemacht ist, wenn es zwar den Mieter vorgeblich schützen will aber die Wohnungssuche der sozial Schwächsten, die Sozialreferate unterstützen wollen, massiv erschwert.“

Die Bildzeitung behält also recht: Das Bestsellerprinzip wirkt tatsächlich.
Manche Wirkung kann aber so nicht beabsichtigt gewesen sein.
Denn die Verlierer sind neben Maklern auch und besonders die sozial Schwachen und die Gruppen, die schon früher Probleme bei der Wohnungssuche hatten. Für andere Mieter wird die Wohnungssuche zwar günstiger, aber auch unbequemer.

Sozialer Nutzen? Ungewiss.

Lesen Sie dazu auch meine Analyse des Bestellerprinzips vom Januar 2015.