Flop: Warum die Mietpreisbremse nicht wirkt

Mit der Diskussion um die Verschärfung der Mietpreisbremse täuschen Politiker über strukturelle Fehler in der Grundidee des Gesetzes hinweg. Seit Einführung der Mietpreisbremse wird diese konsequent durch die Marktkräfte auf dem Mietmarkt „ausgehebelt“. Die sperrige Regulierung führt zu restriktiver Vergabementalität von Wohnungen und verschärft dadurch die Situation für bonitätsschwache Mieter.  Gleichsam befeuern die politischen Argumentationsketten die „Wohnungsnot“, indem eine Anspruchshaltung auf zentral gelegene Immobilien zu günstigen Preisen geschaffen wird.

Seit knapp einem Jahr ist die sogenannte „Mietpreisbremse“ nun in Kraft. Und seit knapp einem Jahr wirkt die umstrittene Regulierungsmaßnahme… nicht. Die Kaltmieten für Wohnungen in den Großstädten steigen mehr oder weniger überraschend weiter.

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Funktionsweise der „fehlerhaften“ Mietpreisbremse  

Erinnern wir uns an den Vorstoß der Regierung, der im linken Flügel der Koalition seinen Ursprung fand:

Die Mietpreisbremse regelt Erhöhungen der Miete bei der Wiedervermietung von Wohnraum wie folgt: Bei Wiedervermietung einer Mietwohnung darf die Nettokaltmiete auf nicht mehr als 110% der ortsüblichen Vergleichsmiete ansteigen. Ausgenommen hiervon sind Neubauten und umfangreich sanierte Altbauten.

Marktkräfte wirken gegen Regulierungsmaßnahmen

An der Ausgangslage hat sich bislang wenig geändert. Überall, wo Wohnraum im Juni 2015 bereits knapp war, ist er auch heute noch knapp. Im freien Markt resultiert knappes Angebot automatisch in einem höheren Gleichgewichtspreis. In einem, wie oben beschrieben, beschnittenen Markt führt knappes Angebot unweigerlich zu Umgehungsversuchen. Weil das Gesetz aber bereits bei Verabschiedung labil strukturiert und schwer überprüfbar war, wurden Umgehungsmaßnahmen von Vermieterseite überhaupt nicht notwendig.

Die Mietpreisbremse hat strukturelle Schwächen

Zunächst verfügen zahlreiche Gemeinden, in denen die Mietpreisbremse gilt, bislang nicht über einen aussagekräftigen Mietspiegel.
Die Aussagekraft des Gesetzes wird zudem durch die Neubau- und Sanierungsschlupflöcher verwässert. Hier ist es durchaus Auslegungssache, ab wann eine Sanierung als „umfangreich“ betrachtet werden kann.
Weil sich das Gesetz nur auf Mieterhöhungen bezieht, greift die Regelung nicht bei Immobilien, die bereits zu Levels von mehr als 110% über der Vergleichsmiete, so diese existiert, vermietet waren.

Usance im Mietmarkt: Vermietung zum realen Marktpreis

Vermieter  ignorieren die Reform weitestgehend und lassen sich stattdessen durch den realen Gleichgewichtspreis bremsen – im noblen Frankfurter Westend (beispielsweise) liegt dieser übrigens derzeit zwischen 19,50 € und 23,00 € pro Quadratmeter und Monat (kalt).
Der Gleichgewichtspreis ermittelt sich aus dem Markt-Know-How des beauftragten Immobilienmaklers oder aus den üblichen Preisen auf den führenden Immobilienbörsen, und nicht aus dem ortsüblichen Mietspiegel.

Restriktive Vergabementalität auf Vermieterseite weitet sich aus

Bei der Mieterauswahl wird in der Folge, nun vermehrt darauf geachtet, möglichst umgängliche und bonitätsstarke Mieter zu finden. Diese haben dann in der Regel hoch bezahlte Arbeitsplätze, sind keine Mitglieder im örtlichen Mieterverein und haben in Ihrer spärlichen Freizeit wenig Muse und Motivation, örtliche Vergleichsmieten zu recherchieren, während die Sonne lacht und der Golfplatz wartet.
Mieter, die eventuell unangenehme Fragen stellen, bspw. junge Familien der unteren Mittelschicht (oder Platin-Mitglieder des örtlichen Mietervereins) werden weniger berücksichtigt.

Das Bestellerprinzip verschärft die Situation für bonitätsschwache Mieter 

Bei der Mieterauswahl helfen erfahrene Makler, die eventuelle Probleme für den Mieter (und Problemgruppen) im  Vorfeld erkennen und den Auswahlprozess dementsprechend steuern. Weil der Immobilienmakler aufgrund des ebenfalls im Juni 2015 eingeführten Bestellerprinzips ausschließlich von der Vermieterseite beauftragt und bezahlt wird, tritt dieser nun ausschließlich und mit „gutem Gewissen“ als einseitiger Interessenvertreter auf, der das Vermögen seines Auftraggebers wahren muss. Der Mietinteressent hat durch das Bestellerprinzip jegliche Anspruchsgrundlage gegen den Vermittler verloren. Mietinteressenten mit „Diskussionspotenzial“ werden im Vermieterinteresse während des Vergabeprozesses gnadenlos aussortiert. Zum Vergleich: Bis zur Einführung der Maklerreform im Juni 2015 hatten Makler als Vermittler zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Mietmarkt durchaus ein Interesse,  die Wohnungsvergabe zugunsten des Mietinteressenten zu beeinflussen – schließlich bezahlte dieser unterm Strich seine Provision.

„Mietpreisbremse reloaded“: Das Vermieter-Schlupfloch beseitigen

Berücksichtigte Mieter können und wollen sich also im Normalfall mit vergleichsweise hohen Kaltmieten an den City-Hotspots arrangieren. Falls doch einmal die Diskussion um die Mietpreisbremse entstand, argumentierte der Vermieter, die Kaltmiete sei im Vergleich zur vom Vormieter gezahlten Miete nicht angehoben worden. Weil sich die Mietpreisbremse ausschließlich auf Mieterhöhungen bei Neuvermietung bezieht, konnte das Gesetz in diesem Fall nicht angewandt werden. Der Mieter hingegen konnte kaum überprüfen und beweisen, dass der Vormieter eine geringere Miete entrichtet hat.

Diese Argumentation möchten findige Politiker aus Berlin nun unterbinden. Im Rahmen einer Bundesratsinitiative soll die Mietpreisbremse „verbessert“ werden. Die „Mietpreisbremse reloaded“ soll den Vermieter verpflichten, die Kaltmiete des Vermieters offen zu legen. „Überhöhte Kaltmieten“ müssen an den Mieter zurückgezahlt werden.

Der Deutsche Mieterbund verspricht sich durch die steigende Mietpreistransparenz mehr Gerichtsverfahren gegen Vermieter, die den Regelungen der Mietpreisbremse keine Folge leisten. Mietern werde auf diese Weise die Möglichkeit gegeben, von ihren gesetzlich verankerten Rechten Gebrauch zu machen.

Weitere Einschränkung der Mieter-Mobilität durch Verschärfung des Gesetzes möglich

Es stellt sich die Frage, ob die fortschreitenden Regulierungen im Mietmarkt die Mobilität der Mieter weiter einschränken. Eine restriktivere Vergabementalität auf Vermieterseite ist seit Juni 2015 deutlich zu spüren. Vermieter meiden aus nachvollziehbaren Gründen Mietinteressenten, von denen sie Probleme während des Mietverhältnisses (bspw. wegen eines Rechtsstreits um eine geringere Kaltmiete auf Basis der Regelungen der Mietpreisbremse) erwarten können. Es ist kein Zufall, dass Studenten, Azubis, Arbeitsuchende und Familien mit Kindern Probleme bei der Wohnungssuche haben. Erst in diesen Tagen berichtet die Tageszeitung „Die Welt“ über den sogenannten „Lock-In-Effekt“. Umzugswillige Familien, aber auch ältere Menschen, werden aufgrund überhöhter Preise von am Markt verfügbaren Kleinwohnungen oder aufgrund mangelnder Verfügbarkeit von größeren Wohnungen, am Umzug gehindert und müssen in ihren derzeitigen Mietimmobilien ausharren.

Deutsche Mieter-Mentalität ist im internationalen Vergleich sehr fordernd

Bemerkenswert scheint auch, dass sämtliche Diskussionen ausschließlich um bevorzugte, meist zentrale Lagen in den Ballungszentren geführt werden. Wenden wir unseren Blick nach England (genauer London), Paris oder New York in den Vereinigten Staaten fällt auf, dass der deutsche Mietmarkt im internationalen Vergleich durchaus moderate Kaltmieten aufweist. Auch ist es in sämtlichen erwähnten Metropolen eine Selbstverständlichkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Auto in die Innenstadt zu pendeln. Ziehen Sie den Radius nun eine Bahn- oder/ und Autostunde um bspw. Frankfurt und Sie erhalten Levels zwischen 5,00 EUR und 7,00 EUR kalt pro Quadratmeter. Betrachten Sie zum Beispiel Wohnlagen im Hintertaunus oder östlich in der Region um Langenselbold.
Die hier erschwinglichen Mietpreise werden in den Argumentationsketten von Politikern nicht berücksichtigt, obwohl diese zurecht stolz auf die hervorragend ausgebaute Infrastruktur sein könnten.
Vielmehr entsteht der Eindruck, die schwarz-rote Regierung und das Ministerium für Verbraucherschutz möchte im Folgeschritt ein Gesetz erlassen, das Mieter zwingt in den zentralen Lagen der Großstädte zu wohnen.
Günstig wohnen in zentraler Lage wird in Wahlprogrammen zum Grundrecht stilisiert. Die Politik schürt eine Anspruchshaltung des Mieters, die im Widerspruch zur Marktsituation und der Einkommenssituation der Mieterhaushalte steht. Staatliche Wohnungsbauprogramme fallen dagegen eher dürftig aus.

Steigende Kaufpreise treiben die Mieten

Vermieter fordern vielfach nicht grundlos das Limit der maximal erzielbaren Mietpreise. Ursächlich ist hier weniger die vom linken Regierungsflügel suggerierte „Mieterschikane und Ausbeutung“, vielmehr sind vergleichsweise hohe Kaltmieten oft eine Folge von hohen Kaufpreisen von Eigentumswohnungen. Während das Niedrigzinsumfeld der EZB günstige Kredite verfügbar macht und so die Kaufpreise in die Höhe treibt, streben Vermieter nach einer Verzinsung, die in einem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zum Risiko der Investition und zum eingesetzten Eigenkapital steht.

Appell an die Politik: Mut zur Wahrheit! 

Vor den beschriebenen Hintergründen bedarf das Gesetz Mietpreisbremse zugegebenermaßen einer Überarbeitung. Dem Markt, bestehend aus Mietern und Vermietern, wäre wohl am besten geholfen, wenn diese Überarbeitung in einer Abschaffung des Pseudo-Gesetzes resultieren und den deutschen Mietern endlich die Wahrheit gesagt würde:

Mieten und Wohnen in begehrten Lagen kostet mehr Geld, als Wohnen in weniger begehrten Lagen.

Zwar ist die Wahrheit gerade für die Ärmeren unter uns kein Richard NitzscheGrund zur Freude, aber immer noch besser als das ewig dauernde Schüren falscher Erwartungen und die schließlich doch enttäuschte Hoffnung auf „eine Penthousewohnung mitten in der City zum regierungsregulierten Schnäppchenpreis“.

Zum Autor:
Richard Nitzsche ist Immobilienmakler in Frankfurt und München und Autor des Ratgebers für Mieter auf Wohnungssuche: Der Mietercoach: Ihre neue Wohnung SUCHEN – FINDEN – BEKOMMEN (Immobilienbuch Verlag). Er schreibt regelmäßig für die Wochenzeitung Frankfurter Stadtkurier und veröffentlicht auf dem Blog mietercoach.de Tipps, Infos und Wissenswertes über den Wohnungsmarkt. 

2 Gedanken zu “Flop: Warum die Mietpreisbremse nicht wirkt

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