Bestellerprinzip: Lässt neue Provisionsregelung die Mieten steigen?

Die Mieten steigen in deutschen Großstädten. Vermieter wälzen die Maklerprovision auf den Mieter ab, während der Kündigungsverzicht die Mietermobilität einschränkt. Der Vermieter bezahlt – Mietinteressenten sind nun Nicht-Kunden des Maklers und haben somit ihren Leistungsanspruch gegen den Vermittler verloren. Deshalb bleiben Einkommensschwache und Problemmieter durch fortschreitende Prozessoptimierung bei Maklerhäusern auf der Strecke. Mieter mit guter Bonität finden leichter und günstiger eine neue Wohnung, bezahlen aber ebenfalls steigende Mieten. 

Als Folge der Diskussionen um die fehlerhafte Mietpreisbremse empfiehlt es sich, das zweite Gesetz zur Regulierung des Wohnungsmarktes zu betrachten: Das lapidar getaufte „Bestellerprinzip für Maklerleistungen“ wurde ebenfalls im Juni 2015 (nahezu zeitgleich zur Mietpreisbremse) deutschlandweit eingeführt. Es reguliert die Provisionszahlung, wenn ein Mietobjekt über einen Immobilienmakler vermietet wird.

Die Gute Nachricht zuerst: Das Bestellerprinzip funktioniert… nun die schlechte Nachricht: …nicht genau wie es sollte.

Richtlinien des Bestellerprinzips werden eingehalten

Abgesehen von wenigen Ausnahmen hält sich die Maklerbranche an das Gesetz. Seit 1.Juni 2015 bezahlt der Auftraggeber, dies ist in der Regel der Vermieter. Ob dies dem Mieter den erwünschten Nutzen bringt, ist mehr als zweifelhaft. Denn das Bestellerprinzip als künstliche Beschränkung des Marktes bringt eine Vielzahl von Nebeneffekten mit sich, die erst auf den zweiten Blick offensichtlich werden.

Steigende Mieten in gefragten Lagen, Kündigungsverzicht beschränkt Mietermobilität

Wie die Berichterstattung der vergangenen Woche  darlegte, wurde das gewichtigste Gegenargument von Kritikern des Bestellerprinzips vermutlich zur Realität: Vermieter wälzen die Kosten für den Makler durch höhere Mietforderungen schließlich doch auf den Mieter ab. Die schlecht strukturierte Mietpreisbremse verstärkt diese Wechselwirkung.

Um die Sicherheit der Zahlung zu gewährleisten, wird ferner die Mobilität des Mieters eingeschränkt und ein Kündigungsverzicht über mehrere Jahre vereinbart. Während der Kündigungsverzicht in den vor-Bestellerprinzip-Zeiten eher zur Seltenheit gehörte – schließlich musste der Vermieter mit kaum Mehraufwand durch höhere Mieterfluktuation rechnen – ist er in Mietverträgen nach Juni 2015 zum Standard geworden.

Effizientere Prozesse zu Lasten der Mieter, neue Definition des Maklerkunden

Nach anfänglichen Umsatzeinbußen hat sich die Maklerbranche auf die neue Regelung eingestellt. Dies führte zu einem dramatischen Preisverfall im Segment „Vermietung“.
Kostete vormals eine vom Vermieter in Auftrag gegebene Vermietung den Mieter zwei Kaltmieten, muss der Makler heute mit durchschnittlich einer Kaltmiete auskommen.

Vom Vermieter beauftragt ist der (zahlende) Maklerkunde nun klar definiert. Anspruch auf Leistung hat der, der zahlt. Keinen Anspruch auf Leistung hat der, der nicht zahlt. Leistung erbringen, bedeutet einen passenden Mieter für die Immobilie des Vermieters finden.
Immobilienmakler straffen ihre internen Prozesse daher zu Lasten der Mietinteressenten, die ihren Kundenstatus mit der Einführung des Bestellerprinzips verloren haben. 
Wenn es die Nachfrage nach dem jeweiligen Mietobjekt erlaubt, werden kostensparende Massenbesichtigungen veranstaltet. Einzelbesichtigungen, telefonische Betreuung, Zweitbesichtigung, Grundrisserstellung und besonderer Verhandlungseinsatz für den Mieter sind nun optionale Leistungen, die den Gewinn des Vermittlers schmälern, wenn der Vermieter diese nicht bereitwillig bezahlt. Dies ist, wenig überraschend, erfahrungsgemäß die Seltenheit.
Das Gesetz verbietet, dem Mieter jegliche Leistungen in Rechnung zu stellen.
So wird die Dienstleistung für den Mieter ein Luxus, die unter zunehmenden Margendruck in der Maklerbranche schlicht wegrationalisiert wird. Der niedrige Preis kann dann an den Endkunden (den Vermieter) weitergegeben werden. Der Makler benötigt schließlich nur einen auf die Wohnung passenden Mietinteressenten.
Bei auf die Vermietung von Wohnungen spezialisierten Maklerunternehmen kostet die Vermietung inzwischen deutlich weniger als eine Kaltmiete. Hier werden pauschal zwischen 450 EUR und 550 EUR inkl. MwSt. fällig.
Das Angebot wird hervorragend vom Markt angenommen, aber es bleibt keine Marge, um den Mieter mehr als nötig zu betreuen. Nun ist der „selbstbestimmte“ Mieter gefragt, weniger findige Interessenten bleiben auf der Strecke.

Beschneidung der Vertragsfreiheit von Mietern

Nun könnte sich ja der Mietinteressent auf Basis des Bestellerprinzips einen eigenen Makler „bestellen“ um auf diese Weise den oben beschriebenen Problemen aus dem Weg zu gehen…
Leider ist das Gesetz derart strukturiert, dass der Makler eine Objektsuche „exklusiv und nur für den einen speziellen Interessenten“ beweisen muss, wenn er seinen Provisionsanspruch gegen einen Mieter rechtlich durchsetzen möchte. Der Makler darf also nicht zwei (oder mehr) Interessenten die selbe Wohnung zeigen. In der zweiten Besichtigung wäre eine Mieterprovision nicht mehr rechtens, die Objektsuche wäre ja nicht „exklusiv“.

Die Beweisführung einer exklusiven Suche ist jedoch mehr als schwierig. Vor dem Hintergrund des engen Mietmarkts in Metropolen sind zwei Kaltmieten als Entgelt für eine exklusive Suche außerdem zu wenig. Der mit einer exklusiven Suche verbundene Aufwand beliefe sich (schätzungsweise) auf etwa auf 5 Kaltmieten. Aus den Zeiten vor dem Bestellerprinzip gilt allerdings eine Kappung auf maximal 2,38 Kaltmieten (inkl. MwSt.).

Makler mussten daher das Segment „Objektsuche für den Mieter“ schlicht aus ihren Programmen streichen. Das Gesetz ist daher ein Quasi-Berufsverbot für die Branche.  Weiterhin wird der Mietinteressent in seiner Vertragsfreiheit  eingeschränkt. Denn selbst wenn er für die Maklerleistung bezahlen möchte, darf der Makler die Zahlung nicht annehmen.
( Ich biete seit dem 1.Juni 2015 aus diesen Gründen keine Objektsuche für den Mieter mehr an und arbeite seither ausschließlich für den Vermieter.)

Einkommensschwache Mietinteressenten und Problemmieter bleiben auf der Strecke

Weil das Gesetz dem Mieter „verbietet“ eine Zahlung an den Makler zu entrichten, haben Makler keinen monetären Anreiz, sich für die beratungsintensive Mieterklientel einzusetzen. Im Zuge der Prozessoptimierung konzentrieren sich Makler deshalb auf leicht zu vermittelte Mieter. Zu diesen zählen diejenigen Interessenten, die auch in den Zeiten vor dem Bestellerprinzip schon keine Probleme hatten, eine neue Wohnung zu finden.

Piloten, Beamte, Bankangestellte, Ärzte, usw.

Für diese Interessenten ist das Gesetz dahingehend von Vorteil, dass sie nun keine Provision mehr entrichten müssen. Jedoch steigen die Mieten auch für sie. Für alle anderen Mieter dürfte es dagegen eher schwieriger geworden sein, eine neue Wohnung zu bekommen.

z.B. Alleinerziehende, Familien mit Kindern, Arbeit Suchende, Freiberufler, Azubis, Studenten, usw.

Dies belegen auch steigende Klick- und Anfragenzahlen auf Immobilienanzigen. Über diese berichtet „Die Zeit“ in einem Artikel Anfang Mai und beruft sich auf eine Erhebung des Portals Immobilienscout24. Mieter, die seltener zur Besichtigung eingeladen werden und mehr Ablehnungen bei der Bewerbung erhalten, müssen folglich einen höheren Aufwand bei der Immobiliensuche erbringen. Erneut ist der „Selbstbestimmte Mieter“ gefordert. Dieser hat heute seine Objektsuche selbständig und ohne die professionelle Hilfe eines Maklers durchzuführen.

Geringere Transparenz im Mietmarkt

Um Kosten zu sparen akzeptieren Vermieter oftmals vom aktuellen Mieter vorgeschlagene Nachmieter. Aus diesem Grund laufen zahlreiche Wohnungen am offenen Markt vorbei. Interessenten erhalten diese Angebote ausschließlich durch eigene, zwischenmenschliche Verbindungen. Wer sich nicht bereits im Markt bewegt, findet weniger Anzeigen auf den Portalen.

Neue online-Märkte entstehen

Zeitgleich etablieren sich neue Do-it-yourself-Portale und Möglichkeiten für den Vermieter, die Wohnung in Eigenregie zu vermarkten. Ob faceyourbase, ssmove, mietercasting, usw. findet hier eine Entwicklung statt, die ihren Gipfel noch nicht erreicht hat. Der Teil der Vermieter, die die Vermarktung ihrer Immobilien selbst in die Hand nehmen, findet hier ein breites Portfolio an neuen, online und web-basierten Möglichkeiten, die die Mietersuche vereinfachen (sollen).

Höhere Professionalisierung der Maklerbranche, Markteintrittsbarrieren steigen 

Eine positive Wirkung des Gesetzes ist die mit der Regulierung einhergehende, steigende Professionalisierung der Maklerbranche. Weil der Kunde nun klar definiert ist, überlebt der Makler, der für den Kunden den größten Mehrwert schafft und gleichzeitig solide wirtschaften kann. Der „Küchentischmakler“ kämpft ums Überleben, während der Profi eher gewinnt. Der zahlende Kunde (der Vermieter) erwartet eine klar definierte und professionell erbrachte Leistung für sein Geld.

Bestellerprinzip und Mietpreisbremse sind Placebo-Gesetze

Ein Jahr nach der Einführung des Bestellerprinzips hat sich die anfängliche Aufregung gelegt und die Maklerbranche ist in ruhigerem Fahrwasser angekommen. Leider haben – zumindest aus meiner Sicht – nicht die Menschen von der Reform profitiert, denen eine „Besserung der Situation“ versprochen wurde. Gleichzeitig sind die Mieten weiter gestiegen.
Mietpreisbremse und Bestellerprinzip haben eine Gemeinsamkeit: Sie sind Placebo-Gesetze. Sie dienten wohl ausschließlich zum Stimmenfang von ahnungslosen Wählern. Die Politik konnte viele Wähler durch ihre Halbwahrheiten ködern. Die Resultate zeigen sich in der Gegenwart. Die strukturellen Schwierigkeiten des sogenannten „knappen Wohnungsmarktes“ wurden hingegen nicht angegangen. Stattdessen musste der Wohnungsmakler als Sündenbock für die Versäumnisse der Politik im sozialen Wohnungsbau herhalten.

Das Geschäft ist für die meisten Immobilienmakler härter geworden, auch für mich.
Vor Juni 2015 war ich Vermittler zwischen Angebot und Nachfrage. Ich war der Markträumung verpflichtet. Ich half dem Mieter auf dem Weg zu seiner neuen Wohnung und dem Vermieter, diese zu platzieren. Heute bin ich als Listing-Agent ausschließlich und per gesetzwirksamer Definition für den Vermieter tätig. Die Schlagzahl der vermieteten Objekte pro Monat hat sich drastisch erhöht. Diese Vermietungs-Maschine am Laufen zu halten ist zweifellos reizvoll. Doch die Tätigkeit hat sich gewandelt. Sie ist ein Schaffen gegen die Zeit, ein Streben nach Effizienz, ein Management ausgerichtet auf den Deckungsbeitrag. Könnte ich wählen, würde ich das Rad zurückdrehen. Ich habe nämlich gerne als Berater für Mieter und Vermieter gearbeitet. Das war irgendwie menschlicher.

Zum Autor:
Richard Nitzsche ist Immobilienmakler in Frankfurt und München. Im Juni erscheint sein Ratgeber für Mieter „Der Mietercoach – Ihre neue Wohnung SUCHEN – FINDEN – BEKOMMEN“ (Immobilienbuch Verlag/ 9,50 EUR). Das Buch hilft Mietinteressenten in der Großstadt bei der Suche nach einer neuen Wohnung.  

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