Aufbruchstimmung elektrisiert die Münchner Messehallen, in denen sich die Immobilienbranche seit Montag zur Expo Real trifft. Auf Europas größter Immobilienmesse haben die Marktteilnehmer den Digitalisierungs-Koller überwunden und das Grübeln der vergangenen Jahre hinter sich gelassen.
Unsicherheit ist die neue Sicherheit
Heute konzentrieren sie sich auf die Chancen der vierten industriellen Revolution, deren dramatische Veränderungen die Immobilienunternehmen von gestern buchstäblich überrollte. Auch politische Verwerfungen schocken nicht mehr: Inzwischen gehören sie zum Alltag. „Unsicherheit ist die neue Sicherheit“, titelt das Bewertungsunternehmen eva (European Valuers Alliance). Auch das Schreckgespenst Trump hat seinen Gruselfaktor verloren. Irritationen durch (soziale) Medien und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft seien an der Tagesordnung. Moderne Immobilienunternehmen müssten die „Media Disruption“ pragmatisch in Kauf nehmen: „Wir leben in einer populistischen Kultur“, sagt Faisal Durrani, Partner und Head of Research von eva.
Populismus in der Kritik
Populismus macht zwar Probleme transparent – beispielsweise die Wohnungsnot in deutschen Metropolen. Populismus hilft jedoch wenig, Lösungen zu finden. Noch mehr konstruktiver Dialog müsse her, findet Dr. Franz-Georg Rips, Präsident des Deutschen Mieterbunds, als er über den kürzlich abgehaltenen Wohngipfel der Regierung resümiert. Dieser war in seinen Augen „zu sehr Selbstdarstellung,“ und beinhaltete noch reichlich Absichtserklärungen mit wenig tatsächlichen Maßnahmen.
Die Politik ist durch geänderte Mehrheitsverhältnisse unter Druck geraten. Nun wälzt sie diesen auf die Immobilienbranche ab, ihrerseits mit populistischen Maßnahmen: „Es herrscht ein Mangel an Wohnungen, kein Mangel an Regulierung“, mahnt Jürgen Michael Schick, Vorsitzender des IVD (Immobilienverbands Deutschland) und plädiert für weniger Populismus.
Gröner: Wohnungsnot als Mammutaufgabe

Noch deutlicher wird Bauunternehmer Christoph Gröner, CEO der CG Gruppe AG. Die Politik solle sich vom Klein-Klein im Austausch gegen Wählerstimmen verabschieden. Das Problem der Wohnungsnot werde nicht durch 100 Sozialwohnungen mehr oder weniger gelöst. Gröner betrachtet die Wohnungsnot als die große soziale Frage der Gegenwart, an der Deutschland scheitern könnte. Es warte eine gesellschaftliche Mammutaufgabe, aktuell sei das Land in einem „ganz gefährlichen Zustand“ – auch bedingt durch die Migration, mit der nicht jeder auf der Straße umgehen könne. Diese Aufgabe müsse man gemeinsam lösen. Die Gesamtverantwortung sei nicht nur dem Staat zurechnen. Gröner nimmt die Immobilienbranche, Unternehmer und Subunternehmer, in die Pflicht und präsentiert mit der Technologie des „seriellen Bauens“ zugleich eine Lösung.
Innovation: Serielle Fertigung
In einem Fertigteilwerk werden Bauteile nahezu vollständig vorgefertigt. Auf der Baustelle müssen diese dann nur noch zusammengesetzt werden. Gröner brennt für die Technologie, die durch die Digitalisierung erst möglich wird. Seine Unternehmensgruppe investiere jährlich zwisch 5 und 10 Millionen Euro allein in die Forschung. Mit 50 Mitarbeitern im Fertigkteilwerk und 50 Mitarbeitern auf der Baustelle könne er so Großprojekte 30-40 Prozent unter dem herkömmlichen Baupreis, in deutlich kürzerer Zeit realisieren. Gröner betont: Wir reden nicht über die „Platte 4.0“, jede individuelle Architektur könne dargestellt, nahezu jedes Baumaterial könne verwendet werden. Im Augenblick realisiere die Gröner Gruppe gerade die Testphase der Technologie an eigenen Immobilien.
Ländlicher Raum: Problemkind oder Hidden Champion?
Eine andere Lösung für die Wohnungsnot liegt in der Stärkung der Peripherie. „Der Ländliche Raum – ein Hidden Champion“, fragte die Nassauische Heimstädte zum Auftakt der Expo am Montagmorgen. Christian Grunwald, Bürgermeister von Rothenburg a.d.Fulda hebt wesentliche Vorteile seiner Gemeinde hervor. In Rothenburg sei der Wohnraum preiswerter und „wir haben auch noch Chancen, neuen Wohnraum zu schaffen“. Jedoch gehöre zur politischen Wahrheit, dass „sich das Gesicht von Innenstädten verändern wird.“
Ländliche Regionen kämpfen mit Leerstand von Einzelhandelsimmobilien in Innenstädten. Die Umsätze verlagern sich auf den Onlinehandel. Aber das Medium Internet bietet auch große Chancen für den ländlichen Raum. Arbeit lässt sich heute leichter vom Unternehmensstandort entkoppeln und gibt Beschäftigten die Möglichkeit, mit ihren Familien im ländlichen Raum zu wohnen. Ein Umzug werde jedoch nur dann interessant, wenn künftige Bewohner soziale Infrastruktur vorfinden, meint Markus Eichberger, Leiter Stadtentwicklung der Nassauischen Heimstädte. Auf Gesundheit, Bildung und Handel müssten die Kommunen daher einen Fokus setzen. Die Zeit und die hohen Quadratmeterpreise spielten für Rothenburg, meint Grunwald. Dennoch ist er sich seiner großen Aufgabe bewusst: „Wachstum fängt bei Stabilisierung an.“

Der Autor: Richard Nitzsche ist seit 2012 Immobilienmakler in Frankfurt und München, Autor des Blogs http://www.mietercoach.de und Verfasser des Ratgebers für Mieter auf Wohnungssuche „Der Mietercoach: Ihre neue Wohnung SUCHEN – FINDEN -BEKOMMEN“ . Er publiziert eine wöchentliche Immobilienmarktkolumne für den Mainhattan Kurier und ist regelmäßig als Experte für Immobilienthemen in den Medien präsent. Schreiben Sie Ihm auf Twitter oder Facebook!
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