Digitalisierung im Immobilienmarkt bleibt ein Dauerbrenner: Die fortschreitende Digitalisierung der Immobilienbranche, insbesondere aber die Hürden, die die Digitalisierung für Unternehmen aufwirft, erachten die Marktteilnehmer der europäischen Immobilienwirtschaft als einen der sieben wichtigsten Einflussfaktoren. Das kürzlich von der Messe München im Vorfeld der EXPO REAL veröffentliche Stimmungsbarometer 2019, sieht die Digitalisierung auf Platz 5 der drängendsten Themen, noch vor Klimaschutz und Investitionsdruck.

Wie ein Pflicht-Boxenstop für Assetmanager und Immobilienbewerter vor der jährlichen Immobilienmesse in München präsentierte sich der BIIS-Research Summit vergangene Woche im Frankfurter Hotel Maritim zu den Chancen, Risiken und Problemen der „Digitalen Transformation“.
Digitalisierung: Immobilienwirtschaft hat die Orientierungsphase hinter sich gelassen
Nachdem sich die Digitale Revolution vom einstigen Buzzword zu einer Realität entwickelte, die nun auch in der Wahrnehmung einer Immobilienwirtschaft angekommen ist, die sich mit Innovationen bekanntlich schwer tut, steht jetzt die tiefgehende Auseinandersetzung mit den Digitalisierungs-Folgen für Prozesse und Unternehmen auf der Agenda.
Chancen der Digitalisierung
Die traditionelle Geschäftsidee, verbunden mit den technologischen Errungenschaften der Digitalisierung, führt zu effizienteren Geschäftsprozessen oder/ und neuen Produkten. Dieser technologische Wandel vereint Chancen und Risiken: Es bieten sich Chancen, Geld mit neuen Geschäftsfeldern und Ideen zu verdienen oder „mehr Geld“ durch die digitale Optimierung der bestehenden Prozessen zu verdienen.
Digitale Risiken
Dem gegenüber stehen die Risiken der Digitalisierung: Die bisher von Immobilienunternehmen erbrachten Dienstleistungen und Produkte könnten im Zuge der digitalen Revolution überflüssig werden. Das Produkt- und Leistungsprotfolio von Unternehmen könnte mit dem vollendet

digitalisierten Gesamtmarkt in Kosten- oder Qualitätseffizienz nicht Schritthalten. Die Zeit sei vorbei, den Kopf in den Sand zu stecken, meint auch Dr. Alexander Hellmuth von Ernst & Young. Er sieht reichlich Nachholbedarf in der verstaubten Immobilienbranche. Nach seiner Ansicht habe die Mehrheit des Marktes zwar die Orientierungsphase hinter sich gelassen, befinde sich jetzt irgendwo zwischen Entwicklung- und Entscheidung, doch noch weit entfernt von „digitaler Exzellenz“, also der sinnvollen Anwendung digitaler Erfolgsfaktoren. Das Unternehmen habe die Möglichkeit, mit Proptechs bestimmte Geschäftsprozesse neu zu organisieren, oder die gewünschten Lösungen inhouse zu produzieren.
(UM-)Organisation MASSGEBLICH FÜR DEN Digitalisierungserfolg
Hellmuth rät Unternehmen, einen sogenannten CDO zu ernennen. Der Chief-Digiatl-Officer treibe die Verknüpfung zwischen digitaler und analoger Welt voran, er vereine das „Beste beider Welten.“ Das Spannendste für Hellmuth in der aktuellen Phase der Immobilienbranche sei, was in den Unternehmen „organisatorisch passiere“. Richtig gesetzte Veränderungen innerhalb der Unternehmensstruktur entscheiden, ob Digitalisierung funktioniere.Während größere Unternehmen ganze Abteilungen beschäftigen, rät Hellmuth kleineren Gesellschaften zumindest (Zeit-)Kapazitäten zur Verfügung zu stellen, um die brennend aktuelle Entwicklung nicht zu verschlafen. Digitalisierung sei mehr, als von physischen Ordnern auf die PDF umzusteigen.
Trend vom IT-Generalisten zum Spezialisten, Suche nach allgemeinen Standards in der Immobilienbranche
„Es wird sich zeigen, welche Instrumente Spielerei und Modeerscheinung sind, welche der Innovationen wirklich gebraucht werden und welche sich Technologien tatsächlich kosteneffizient und sinnvoll umsetzen lassen“, meint ein Assetmanager am Rande der Konferenz. Er sieht den Trend, Prozesse kleinteilig zu zerlegen. Geschicktes Outsourcing bei gleichzeitiger Fokussierung auf die eigene Kernkompetenz stärke nachhaltig das eigene Unternehmen. Der allumfassende IT-Dienstleister, der das volle Datenspektrum von Buchhaltung bis Neukundenakquise bediene, sei gestern gewesen, heute orientiere man sich zum Spezialisten. Gleichzeitig bemängelt er die fehlenden Datenstandards in der Immobilienbranche. „Das beginnt mit einer einfachen Mieterliste: Der eine schreibt die Jahresmiete auf der linken Seite der Liste, der andere auf die rechte Seite, ein Unternehmen nutzt Monatsmieten, das andere Jahresmieten.“ Die effiziente Verarbeitung der Daten sei daher nicht

gewährleistet. Er plädiert für Standards. Hier ist er in guter Gesellschaft. Unter dem Slogan „Gemeinsam Digitalisieren“ wünschen sich auch die Referenten Dr. Frank Hippler von Deka Immobilien und Thomas Müller, von Union Investment Real Estate eine bessere Datenlesbarkeit und schwindende Reibungsverluste bei der Verarbeitung. Das exponentielle Datenwachstum stelle die Branche vor Herausforderungen. In den kommenden 5 Jahren werde die Datenbasis der Erde auf 175 Zeta-Bytes anwachsen. Es ergebe sich dann die Problematik, zwischen „Guten Daten“ und „Datenmüll“ zu unterscheiden.
Digitalisierung in der Immobilienwirtschaft:
Von VR bis zur Prozessautomatisierung
„Was passiert in den nächsten 3-5 Jahren“, fragt auch Dr. Susanne Hügel von CBRE. Vom digitalen Token, mit dem sich Immobilientransaktionen mit digitalen Anteilen an Gebäuden über die Blockchaintechnologie abwickeln (hier ein aktuelles Beispiel) lassen bis hin zu Hausbesichtigungen mit der Virtual Reality-Brille sei es aktuell die Aufgabe die volle Breite der Digitalisierung für das Unternehmen sinnvoll nutzbar zu machen. Als wichtigste Digitalisierungsfelder für die Immobilienbranche beschreibt Hügel Virtuelle Realität – Virtuelle Welten, Blockchain / DLT, Prozessautomatisierung (robotic process automatization) und künstliche Intelligenz (aritificial intelligence).
Stellschrauben: Effizienz, treffsichere Entscheidungen und bessere User-Experience
In der Praxis sollen die Errungenschaften der Digitalisierungen den Marktakteuren im Immobilienmarkt und deren Kunden, das Leben erleichtern. Simulationen erleichtern Entscheidungsprozesse und visualisieren Potenziale; bei der Planung, in der Entwicklung oder beim Vertrieb an den Endkunden. Ein Beispiel zeigt das PropTech PriceHubble, dessen Softwarelösungen den Immobilienverkauf durch „maschinelles Lernen und Big-Data Analytics“ unterstützen sollen. Nutzern werden eine Vielzahl von Daten an die Hand gegeben, die die Kaufentscheidung erleichtern können. Mit „Backbird online“ zeigt der Gewerbemakler JLL, wie Big Data seinen Kunden bei der Standortsuche hilft.