Buchmesse vs. EXPOREAL: Ein unkonventioneller Vergleich der Mega-Messen

Wenn die Frankfurter Buchmesse am heutigen Sonntag zu Ende geht, blicke ich zurück auf zwei ereignisreiche Messewochen. Schon das vierte Mal in Folge habe ich diesen „Messemarathon“ absolviert. Erst die Immobilienmesse EXPO REAL in München, dann geht es weiter zur Buchmesse in Frankfurt. Neben einer Menge Stress bringen die vergangenen Wochen positive Eindrücke und einzigartige Einsichten in beide Industrien, die Immobilien – und die Buchbranche. Zeit für ein resümierendes Fazit. In einem sicher unkonventionellen Vergleich will ich einmal meine Eindrücke aus beiden Welten gegenüberstellen, und einen (persönlichen) Vergleich zwischen der Immobilienmesse Expo Real und der Frankfurter Buchmesse ziehen.

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Die Immobilienmesse EXPO REAL findet im edlen München statt. Der Montag als erster Messetag schließt sich traditionell an das Ende des Münchner Oktoberfests an. Für viele Messebesucher liefert der letzte Tag auf den Wiesen mindestens einen Grund, zeitig oder sogar am Samstag anzureisen. Für Feierwütige und Schürzenjäger, die sich in der Immobilie haufenweise tummeln, bietet das Oktoberfest, weit weg von Familien, Frau und Kindern irgendwo daheim in Deutschland, das erste große Highlight der drei Messetage. Für viele Teilnehmer startet die EXPO REAL deshalb erst gegen Zwölf am Montag, wenn der Körper die Folgen diverser Maß Bier über den Durst halbwegs verarbeiten konnte. 

EXPO REAL: Deal Im Fokus

Auf der Immobilienmesse – ein schicker Anzug ist hier praktisch Pflicht –  geht es vor allem um Immobiliendeals und das große Geldverdienen. Städte präsentieren aktuelle Projekte, Flächen und suchen nach Investoren. Investoren suchen

Richard Nitzsche: Makler und Autor von Mietercoach.de
Richard Nitzsche ist Immobilienmakler und Autor des Blogs mietercoach.de .

profitable Renditeperspektiven. Projektentwickler suchen nach Investoren und Flächen. In zahlreichen Vorträgen und Präsentationen an den Messeständen werden politische Fragestellungen des Immobilienmarktes und potenzielle Risiken aufgearbeitet – nicht uneigennützig, denn die Veranstalter hoffen, im Rahmen der Vorträge ins tiefere Gespräch mit ihrer Zielgruppe zu gelangen. Referenten suchen die Selbstdarstellung, jeder Kontakt ist bares Geld wert und kann sich in der hochkomplexen Branche auszahlen. In der Immobilienbranche scheint das Geld als Folge des Booms und der langanhaltend niedrigen Zinsen zwar auf der Straße zu liegen, dennoch benötigten die Akteure tiefes Verständnis über ihren Teil der Wertschöpfungskette, um die Finanzströme abzuschöpfen. In den Messehallen heisst es, insbesondere Montag und Dienstag, Chancen erkennen, Potenziale nutzen. Der Zeiger der Uhr tickt dabei unaufhörlich, die Zeit vergeht (zu) schnell. Der Terminkalender der Teilnehmer ist randvoll, grundsätzlich liegt eine latente Hektik, garniert von höflicher Oberflächlichkeit in der Luft.  

Frankfurter Buchmesse: Kultur & Gesellschaft

Eine Woche später ticken im weltoffenen Frankfurt die Uhren langsamer: Die Buchbranche versteht sich als Kulturgut, weniger als Industrie, in der Investitionen und Deckungsbeiträge unternehmerisches Denken und Handeln prägt. Von kulturellem Anspruch, von Politik und Gesellschaft handeln die zahlreichen Foren und Gesprächsrunden. Während Messeteilnehmer der EXPO REAL den liberal-konservativen Friedrich Merz am letzten Messetag die Hand schütteln konnten, treffen die Besucher der Frankfurter Buchmesse Lisa Neubauer von Fridays for Future. Zwei Pole, wie sie sich gegensätzlicher nicht präsentieren können – für mich verkörpern beide im Kontrast eine allegorische Anmutung. 

EXPO REAL: Chancen realisieren – Buchmesse: über Potenziale nachdenken

Während die Expo Real im beinahe kleinen Kreis von Branchenkennern und interessierten zelebriert wird, ist die Buchmesse eine Öffenlichkeitsmesse. Von Thomas Gottschalk über GNTM-Gewinnerin Sarah Nuru, von Harald Glöökler bis zu den Lochis sind Stars, Sternchen und die Politikprominenz präsent und im begrenzten Rahmen ansprechbar. Die Frankfurter Rundschau titelt am Mittwoch auf dem Cover, verweisend auf die Buchmessen-Sonderseiten: „Hurra, wir lesen noch.“ Als ich die Zeitung auf am Messestand der Rundschau in die Hand bekam, überflog ich die Überschrift und verstand „Hurra, wir leBen noch!“. Was für einen Kontrast zur Expo Real in München bemerkte ich, als ich mich kritisch umsah. Der Betrieb zwischen den Ständen und in den Gängen war bedächtig, kaum emsig. Viele der Teilnehmer der Buchmesse wirkten in sich gekehrt. Ein krasser Gegensatz zu den Besuchern der Expo, von denen die Mehrheit schon krampfhaft bemüht wirkt, extrovertiert in gänzlicher Alphatiermarnier möglichst viel „Raum einzunehmen“.

 Die Buchbranche reflektiert über ihr Seien, während Immobilienbranche unreflektiert Geld verdient. Im Zuge eines Vortrages auf der “Frankfurt Authors Stage“, dem ich beiwohnen konnte, echauffierte sich eine Autorin über den aufflammenden Kommerz in der Buchbranche: Ihre Arbeit verliere die kreative Seele, während sie schreibe, um Geld zu verdienen. Eine Aussage, die die Teilnehmer in München eine Woche eventuell belächelt hätten. Einige Stände weiter, auf der Bühne des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels diskutierten die Teilnehmer, wie das Sterben des stationären Buchhandels verhindert und die Zielgruppen durch den Präsenzhandel besser bespielt werden könnten. Nach einer aktuellen Statistik verkaufen sich 46,8% Prozent der deutschen Bücher im Buchhandel; im Jahr 2018 kauften lt. GfK 300.000 Menschen mehr als im Vorjahr 2017 ein Buch. Eine Goldgräberstimmung ist man hier dennoch weit entfernt, die wäre ja auch „frevelhaft“ mit Blick auf das „Kulturgut Buch“. Man befände sich im Wettbewerb mit Amazon und Co. Der Buchhändler in der Runde betont, er habe ja auch die Gehälter seiner Angestellten zu bezahlen und könne nur wenig Geld für die Einladung teurer Autoren zu Lesungen vor Ort aufbringen. Der Buchladen befindet sich im Kampf gegen ein digitales Produkt und eine digitale Logistikkette. Ein Spiel David gegen Goliath. Im O-Ton zeigt schwingt mit, dass das Geldverdienen schon fast im Kontrast zum Selbstverständnis der Buchbranche steht. 

Häuser des Jahres 2019
Das Buch „Häuser des Jahres“ am Messestand von Georg D.W. Callwey.

So reichhaltig das Themanangebot der Buchmesse auch gewesen sein mag, im Segment Immobilien hatte die Veranstaltung dieses Jahr wenig zu bieten, oder ich habe die entsprechenden Produkte / Events in der etwas unübersichtlichen Messeapp übersehen. Hier siegt im direkten Vergleich die App der Messe München, die klar und einfach strukturiert ist. Lediglich ein Verlag befasste sich im Rahmen seines Messeauftritts mit Büchern für Hausbau, Sanierung, Renovierung, usw.  Hier fragte ich nach „dem Immobilienbuch“ der Messe, um dieses hier auf meinem Blog vorzustellen.

Recht zögerlich meint die Standbetreiberin, das müsse sie sich noch überlegen und sie könne mir eventuell nach der Messe ein Exemplar zusenden. Hätte sie direkt reagiert, wäre an dieser Stelle ein Artikel über das Buch im Immobilienbereich 2019 erschienen. Spätestens jetzt wurde mir klar: Bei der Expo Real realisieren die Teilnehmer Chancen, während die Akteure der Buchmesse über Potenziale gern nachdenken. Das zeigt sich für mich an den sperrigen Diskussionen zur Weiterentwicklung des stationären Buchhandels, oder am Zögern, einem Blogger auf die Schnelle zu PR-Zwecken ein Buch in die Hand zu geben. Am Gemeinschaftsstand mehrer Verlage, zu denen auch der Herausgeber Georg D.W. Callwey gehörte, bestaunte ich schicke Architektur-Bücher, leider war nirgends ein Ansprechpartner zu finden. 

Unterm Strich haben für mich beide Messen ihren Charme und setzen ihre persönlichen Akzente. Während auf der Expo Real der Drang zum Deal das Handeln der Messebesucher dominiert, kann man sich auf der Frankfurter Buchmesse treiben lassen und seine persönlichen Buchfavouriten entdecken. Meine persönlichen Highlights habe ich dieses Jahr nicht im Bereich Immobilien gefunden, aber hier hatte sich in den vergangenen Jahren bereits viel getan und das Marktsegment Immobilien / Ratgeber ist im Hinblick auf die Fülle des Literaturangebots nun wahrlich ein kleines Segment. 

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