Droht dem Immobilienmarkt ein Preisverfall, gar eine ernsthafte Immobilienkrise? Ökonomen sind überzeugt: Je schwerer die Corona-Rezession ausfällt, je länger sich der Lockdown der Wirtschaft hinzieht, umso wahrscheinlicher werden die Preise von Immobilien fallen. Aber auch das Risiko einer zweiten Welle der Corona-Pandemie und eine potenzielle Krise der Kreditwirtschaft könnten sich nachteilig auf den Marktwert von Immobilien auswirken und die Abwärtsspirale der Immobilienpreise befeuern.
Während die Corona-bedingte „Schockfrostung“ der deutschen Wirtschaft auch nach Ostern anhält, befassen sich Volkswirte nun mit den ökonomischen Folgen der COVID19-Pandemie. Diese werden zweifelsohne dramatisch ausfallen. Als vorlaufender Indikator haben die Weltbörsen die erste Welle der Krise bereits überwunden. Die ökonomischen Effekte der Virusbekämpfung erreichen den Immobilienmarkt zeitverzögert. Die Auswirkungen der Coronakrise auf deutsche Immobilien können bestenfalls einen vergleichsweise glimpflichem Verlauf nehmen, schlimmstenfalls aber auch eine heftige Preiskorrektur zur Folge haben. Die Schwere und Dauer der kommenden Rezession wird dabei zum Gradmesser für den potenziellen Preisverfall bei Immobilien.
Immobilienboom beendet: Drohende Wirtschaftskrise problematisch für Wohn- und Gewerbeimmobilien
Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ-Bank, glaubt, dass die Corona-Pandemie den deutschen Immobilienboom beendet hat. Bielmeier gibt zu bedenken, dass der Immobilienmarkt auch schon vor der Coronakrise nicht „ganz rund“ gelaufen sei. Der Einzelhandel sei bereits vor der Krise unter Druck geraten, die Preisdynamik in den BIG-7-Städten habe sich verlangsamt und politische Regulierung erschwerte schon zu Jahresbeginn das Mietgeschäft im Segment Wohnen. Bleibe es bei einer vergleichsweise kurzen Rezession, „dürfte der Immobilienmarkt insgesamt mit einem „blauen Auge“ davonkommen.“ Der Bedarf an Wohnungen bleibe durch die Krise unverändert. Problematischer für den deutschen Immobilienmarkt werde laut Bielmeier eine ausgeprägte Wirtschaftskrise. Sollte dieser Fall eintreten, rechnet er mit „spürbar fallenden Preisen für Wohn- und Gewerbeimmobilien.“ Zudem werden „abschmelzende Sicherheiten“, sowie potenzielle Kreditausfälle zum Risiko in der Kreditwirtschaft.
Corona-Crash: Immobilienmarkt fürchtet Bankenpleiten / Immobilien-Themen der (KW 11/2020)
Für praktisch jede Immobilientransaktion sind Finanzierungen notwendig, der Immobilienmarkt ist insofern maßgeblich von einer stabilen und reibungsfrei funktionierenden Kreditindustrie abhängig. Auch das Analyseunternehmen Empirica warnt vor einem Preisverfall von bis zu 25 Prozent im Immobilienmarkt, abhängig von der Schärfe der Rezession.
Zweite Welle der Pandemie: W-Szenario als Worst-Case für die EU-Wirtschaft
Die Bank for International Settlements (BIS) modelliert in einem Research Paper vom 6. April potenzielle Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Weltwirtschaft. Im Best-Case-Szenario verfolgen die Volkswirte die Prognose einer V-Kurve. Beim V-Schock folgt nach starkem Einbruch der wirtschaftlichen Aktivität eine entsprechend dynamische Erholung der Wirtschaft. Im ungünstigen Fall gleite die Weltwirtschaft jedoch in eine W-Kurve ab. Dieses Szenario wird bspw. dann wahrscheinlich, wenn die Pandemie in mehreren Wellen verläuft, sodass sich der Lockdown der Volkswirtschaften dauerhaft hinzieht oder nach vorschneller Wiederaufnahme der Aktivität ein zweites „Herunterfahren“ erfolgen muss. Die „zweite Welle“ würde in dem Modell zwei Quartale nach der ersten Welle eintreten. In der Eurozone könnte das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal bis zu 12 Prozent verlieren, auch das kommende Jahr 2021 wäre dann von Minuswachstum geprägt.
Langer Lockdown: Banken- und Staatsschuldenkrise „garantiert“
Diese Sorge übernimmt auch das Wertpapierhaus DWS: „Würde der Lockdown in der Eurozone für ein ganzes Jahr fortgesetzt, so müsste mit einem Rückgang der wirtschaftlichen Leistung um 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr gerechnet werden, unter Berücksichtigung von Zweitrundeneffekten käme man sicherlich auch problemlos zu einem weit größeren Einbruch. Die Arbeitslosigkeit würde massiv ansteigen, eine Banken- und auch Staatsschuldenkrise wären garantiert.“, schreibt Martin Moryson, Chefvolkswirt Europa in einer Analyse zur Coronakrise – Ausblick: „Schwere Rezession, keine Depression“. Mit Stand 30.März erwartete die DWS nach deutlichen Abschlägen in Q1 und Q2/2020 eine Erholung der globalen Wirtschaft, die im dritten Quartal Fahrt aufnehmen sollte. Kurzarbeitergeld, Steuerstundungen und Überbrückungskredite in Deutschland seien passende fiskalpolitische Maßnahmen, um die Rezession abzufedern. In Italien und Frankreich sei hinsichtlich des Umfangs der Rettungspakete noch Nachholbedarf zu erkennen.
Coronakrise verändert Nachfragekurve auf dem Immobilienmarkt
Die Coronakrise könnte jedoch auch die Angebots- und Nachfragestruktur des Immobilienmarkts grundsätzlich verändern. Durch die Pandemie schreite die Digitalisierung voran, glaubt Bielmeier. Werde Homeoffice die Regel, sinke die Nachfrage nach Büroimmobilien. Die Gegenseite beleuchtet Immobilienökonom Michael Voigtländer vom IW Köln am Dienstag im Morgenmagazin von ARD und ZDF. Er hält Verschiebungen der Nachfrage im Segment Wohnen für möglich. Größere Wohnungen, die Arbeiten im Homeoffice ermöglichen, könnten künftig eher gefragt sein. Gleichermaßen könnte die Nachfrage nach sehr kleinen Wohnungen, dem klassischen 1-Zimmer-Apartment, abnehmen. Vor der Coronakrise ließen sich für 1-Zimmer-Wohnungen im Immobilienmarkt die höchsten Preise pro Quadratmeter realisieren. Während Logistikimmobilien durch die Pandemie an Wert gewinnen werden, fällt die Zukunftsprognose für Einzehandels- oder Hotelimmobilien laut Chefvolkswirt Bielmeier düster aus.
Berichte aus dem Immobilienmarkt: Sämtliche Wochenberichte im Überblick
Zu den Immobilien-Themen (KW 16/2020): Corona killt Kaufpreise: Immobilienboom beendet
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Zu den Immobilien-Themen (KW 13+14/2020): Corona-Alltag: Immobilienmarkt auf der Suche nach neuer Normalität
Zu den Immobilien-Themen (KW 12/2020): Coronavirus friert Immobilienbranche ein: Angst vor fallenden Immobilienpreisen
Zu den Immobilien-Themen (KW 11/2020): Corona-Crash: Immobilienmarkt fürchtet Bankenpleiten
Zu den Immobilien-Themen (KW 10/2020): Corona-Virus, WG-Mieten, Mietendeckel
Ein Gedanke zu “Risiko Immobilienkrise: Schärfe der Corona-Rezession wird zur Schicksalsfrage für deutsche Immobilienpreise”