Immobilien: Preise „rauf“ oder doch „runter“ nach Corona? (Themen aus dem Immobilienmarkt KW22/2020)

Auf Deutschlands Straßen lässt sich eine eigentümliche Zweiteilung beobachten. Einerseits treffen Sie Menschen, die eisern Masken, vielleicht sogar Handschuhe tragen und sich vor dem gefährlichen Coronavirus um jeden Preis schützen wollen. Andererseits steigt die Zahl derer, die sich mit dem kursierenden Virus abgefunden haben und die Meinung verfechten, dass „alles dann doch nicht so schlimm sei“. Unter Politikern zeigt sich das selbe Bild. Kanzlerin Merkel plädiert für mehr Schutz, Thüringens Ministerpräsident Ramelow verkündet am Montag, er wolle die Maskenpflicht am Besten ganz abschaffen.


Es ist ein beeindruckender Trend zur Uneinigkeit, der sich auch im Immobilienmarkt widerspiegelt. Marktteilnehmer in der Immobilienbranche haben aktuell geteilte Meinungen über die Zukunft von Immobilien, Immobiliendeals und Immobilienpreisen: Endzeit-Stimmung trifft auf Business-as-usual-Behavior. Optimisten suchen nach neuen Geschäftsoptionen oder Deals, Pessimisten zögern, begonnene Aktivitäten fortzusetzen, warten ab und haben sogar einzelne Projekte auf Eis gelegt.

Abwarten und den Post-Corona-Immobilien-Boom verpassen?

Doch wieso abwarten? Die Weltbörsen haben schließlich auch zurück in den Boom-Modus geschaltet. Gedanken an eine angeblich nahende Mega-Rezession werden schlichtweg verdrängt. Und die Immobilienpreise? Die Tageszeitung WELT titelt „Plötzlich ist der deutsche Immobilien-Boom wieder ungebrochen“. Einen Monat, nachdem Volkswirte massive Preiseinbrüche vorgesagt hätten, „sieht der Markt für Wohnimmobilien so aus, als sei nichts gewesen“, schreibt das Blatt. Auch Focus online meldet, die Nachfrage nach Immobilien sei inzwischen stärker, als vor der Krise. Der Immobilienmarkt habe sich schon erholt. Nahezu gleichzeitig titelt die Immobilienzeitung „LBBW erwartet Preisrückgänge vor allem in Metropolen“.

Immobilienpreise: Keine klare Richtung erkennbar

Und jetzt? Fallende Immobilienpreise oder vielleicht doch nicht? Werden die Immobilienpreise durch den Corona-Schock, durch anhaltende Niedrigzinsen und monetäre Stimuli vielleicht sogar befeuert? Oder naht das bittere Ende auf trügerisch leisen Sohlen?

Immobilienmarkt: Corona-Effekt wird sich verspätet zeigen

Unter Börsianern existiert ein Sprichwort der Interpretation von Kursausschlägen nach Nachrichten: Die erste Reaktion ist meistens falsch! Nun lassen sich Immobilien aber nicht an der Börse handeln, sind nicht fungibel wie Wertpapiere, schwerer zu bewerten als Aktien und weisen dramatisch längere Transaktionszeiten auf. Dementsprechend werden auch die Transmissionseffekte des Schocks, den der Corona-Lockdown in der deutschen Volkswirtschaft hinterlassen hat, den Immobilienmarkt viel später erreichen.Aktuell seien die Anbieter „noch nicht bereit, Preisnachlässe zu gewähren“, zitiert der WELT-Artikel den Immobilienökonom Günter Vornholz.


Die Immobilie nach der Krise: Haustraum in weiter Ferne?

Nach der Krise könnte das hübsche Einfamilienhaus am Stadtrand tatsächlich von Kaufinteressenten umso begehrter sein: Der Corona-Lockdown hat bewiesen, dass in der Etagenwohnung weder Gras noch Bäume wachsen. Selbst Luxuswohnungen, mit schicker Glasfassade umzäunt mit traumhaftem Blick werden in der Quarantäne zu Gefängnissen, in einer Wirklichkeit ohne Kitas zum Hotspot von Familienstreitereien. Ein Garten kann Abhilfe schaffen.

Aber bleibt das kreditfinanzierte Häuschen für die junge Familie ein realistisches Ziel, wenn der Vater erst in Kurzarbeit schlittert, später dann in die Arbeitslosigkeit – wenn alle Staatshilfen aufgebraucht wurden und die Wirtschaft dennoch nicht wieder angesprungen ist. Wird das Haus dann zum Traum und die Langzeitarbeitslosigkeit des Vaters zum Albtraum für Familie und für den Projektentwickler, die nun um jeden Abnehmer für sein Neubau-Reihenhaus buhlen muss. Buhlen bedeutet Rabattaktion und Preissenkungen, um sich gegen das Angebot der Konkurrenz durchzusetzen.

Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit: Wie wahrscheinlich ist die Überschuldung?

Eine aktuelle Studie des Sachverständigenrates für Verbraucherfragen begreift die Corona-Pandemie als „Stresstest für den Wohnungsmarkt“. Die Studie sieht 10 Millionen Mieterhaushalte (ein Viertel aller deutschen Haushalte) schon bei einem Einkommensverlust von 100 Euro im Monat gefährdet, in die Überschuldung zu rutschen. Es handelt sich um genau die 10 Millionen deutschen Haushalte, die über keine finanziellen Rücklagen verfügen.
Die Entwicklung der Wohnkostenbelastung mache deutlich, dass „viele Haushalte einer Wohnkostenüberbelastung näher kommen, als der aktuelle moderate Mittelwert es vermuten lässt“, heisst es in der Studie.

Eigentümerhaushalte ohne finanzielle Rücklagen erreichten den kritischen Wert „ab einem Einkommensverlust von etwa 450 Euro im Monat“.

Im Subventionskoma: Bundesregierung beatmet längst verendete Wirtschaftssubjekte

Mit Milliarden Staatshilfen und Subventionen beatmet die Bundesregierung bereits gestorbene Unternehmen (Inflationsgefahren nicht diskutiert). Mit Kurzarbeitergeld füllt Wirtschaftsminister Peter Altmeier (CDU) die Konten ökonomisch schon längst verendeter Verbraucher, die zwangsläufig nach der Kurzarbeit in die Arbeitslosigkeit rutschen werden.
Zumindest solange der Tropf arbeitet, kann die Immobilienbranche ihre finale Party feiern.

Oder verschätzen sich die Pessimisten? Ignorieren wir doch einfach mal 10 Millionen Deutsche in Kurzarbeit (und weitere 2,6 Millionen, bzw. 5,8 Prozent Arbeitslose). Ignorieren wir die potenzielle zweite Virus-Welle. Glauben wir alle zusammen ganz fest an ein V-förmiges Rezessionszenario in Deutschland mit schneller Erholung. Und freuen wir uns gemeinsam auf eine weitere Dekade der boomenden Preise auf dem deutschen Immobilienmarkt! Das wäre doch toll!

Richard Nitzsche: Makler und Autor von Mietercoach.de
Richard Nitzsche (M.Sc.) kommentiert für Sie wöchentlich aktuelle Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt. Folgen Sie diesem Blog und erhalten Sie aktuelle Beiträge direkt via E-mail in Ihr Postfach.

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Zu den Immobilien-Themen (KW 21/2020):  Immobilienmarkt: ETW- und Hauspreise uneinheitlich, neuer Trend zur Stadtflucht?

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Zu den Immobilien-Themen (KW 18/2020): Immobilien: Investoren suchen die Chancen der Coronakrise

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