Ist die Immobilie das bessere Gold? (Themen aus dem Immobilienmarkt KW 31/2020)

Angst und Misstrauen über die Entwicklung der Weltwirtschaft und die Geldpolitik der Industrienationen treiben den Goldpreis in der abgelaufenen Kalenderwoche bis an die 2.000 USD-Marke. 


Bei Investoren gibt es wohl kein Halten: Analysten prognostizieren Kursphantasien bis 3.000 USD. Die Anleger flüchten in sichere Häfen um den aufziehenden Sturm abzuwarten. Gleichzeitig veröffentlicht das Meinungsforschungsinstitut YouGov, ebenfalls in der abgelaufenen Kalenderwoche, das Ergebnis einer Umfrage, nach der Immobilien die beliebteste Anlageform der Deutschen sind bzw. bleiben. Gegenüber der letzten Umfrage im Februar hat die Beliebtheit von Immobilien sogar noch einmal zugelegt.
Gold landet bei der Umfrage auf dem zweiten Platz, Investitionen in Aktien belegen den dritten Rang. Gefragt wurden 2.000 Deutsche – eine durchaus repräsentative Stichprobe. Insofern scheint die Frage angemessen: Ist Ihr Geld besser in Aktien oder besser in einer Investition in Gold aufgehoben?

Darum befindet sich der Goldpreis aktuell im Höhenflug

Beginnen wir die kurze Analyse mit den Gründen des jüngsten Preisanstieges des Edelmetalls Gold: Obwohl Gold für niemanden einen wirklichen Nutzen bringt – vernachlässigen wir einmal die Nutzung des Edelmetalls in der industriellen Fertigung – möchte es aktuell (besser: seit Beginn der Krise) scheinbar jeder Investor im Depot haben.

Gold ist ein unabhängiges, anerkanntes Lagermedium für Vermögen

Gold sieht zwar schön aus, zahlt aber keine Dividenden und bringt keine Mieten. Insofern funktioniert Gold einzig als Lagermedium für bereits geschaffene Werte. Gold ist die „Währung der Währungen“. Investoren kaufen Gold, weil Sie – obgleich bereits gestiegenem Goldpreis, geringere Verluste befürchten, als in anderen Währungen oder Assetklassen. Gold bietet nach Investorenmeinung aktuell eine Absicherung gegen folgende Szenarien:

  • Inflation
  • Hyperinflation
  • Wirtschaftskrise
  • Staatskrise

Vor einigen Wochen habe ich mir im Übrigen die Verbindung zwischen Immobilien und Inflation angesehen. Nicht zwangsläufig schützt die Investition in Immobilien vor der Geldentwertung.

Gold als Inflations- und Krisenschutz, Gold als Skala von ökonomischer und politischer Unsicherheit

Der Goldpreis übersteht eine potenzielle Hyperinflation, der Goldpreis übersteht Wirtschafts-, Währungs- und Staatskrisen. Besonders auffällig am jüngsten Anstieg des Goldpreises ist die parallele Entwicklung des Bitcoin, der als digitales Pendant mit vergleichbaren Eigenschaften wieder über der 11.300-Dollar-Marke handelt, ein Sprung von 2.000 Dollar verglichen mit dem Kurs vor zwei Wochen. Eine Vielzahl von Investoren haben es laut Marktbeobachtern aktuell nicht darauf abgesehen, hohe Renditen zu erzielen, sie wollen lediglich weniger verlieren, als die sogenannte Benchmark, also eine Gruppe von Vergleichsinvestoren. Je stärker das Schreckgespenst umgeht, je größer der Pessimismus wird, umso höher könnte der Goldpreis steigen.

Eine Eigenschaft von Gold ist auch die (zumindest theoretische) Möglichkeit des physischen Transports oder der privaten Lagerung des Barrens zu Hause. Ein Vorteil, der gleichzeitig zum Nachteil werden kann, wenn ein unberechtigter oder ein nachträglich von Gesetzewegen plötzlich berechtigter, den Goldbarren seinem Eigentümer einfach entwendet. 

Richard Nitzsche: Makler und Autor von Mietercoach.de
Richard Nitzsche (M.Sc.) kommentiert für Sie wöchentlich aktuelle Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt. Folgen Sie diesem Blog und erhalten Sie aktuelle Beiträge direkt via E-mail in Ihr Postfach.

Immobilien können nicht gestohlen, dafür aber enteignet werden

Hier bieten Immobilien zumindest einen kleinen Vorteil: Im Vergleich zu Gold können Immobilien von unberechtigten Dritten nicht gestohlen werden. Sehr wohl können Sie von nachträglich gesetzlich legitimierten jedoch enteignet werden.

Gold können Sie „bewegen“

Bei derartigen Entwicklungen sitzt der Immobilieninvestor in der Falle, während der Investor in Gold seinen Bestand ins Ausland bringen kann oder bereits vorab aufgrund akuter Bedenken schon im Ausland lagert – beispielsweise in Depots außerhalb der EU in der Schweiz oder in Liechtenstein. Eine erwähnenswerte Entwicklung in diesem Zusammenhang ist der aktuelle Lieferengpass des Edelmetalls. Machen Sie sich am Montag auf den Weg zum Goldhändler, werden Sie womöglich kein physisches Gold mit nach Hause nehmen können. Interessant ist außerdem ein neues Gesetz, das die Meldepflicht von sogenannten Tafelgeschäften jüngst, nämlich erst zum 31.12.2019, auf die Untergrenze von 2.000 Euro herabgesetzt hat – bis Ende vergangenen Jahres konnten Sie anonym noch Goldbestände bis 9.999,99 EUR ankaufen und beim Goldhändler mitnehmen. Der Gesetzgeber möchte wissen, wo sich das physische Edelmetall befindet, eventuell um bei Bedarf darauf zugreifen zu können. Diese Entwicklung hat Bestsellerautor Marc Friedrich in seinem Buch bereits eine Zeit vor der Coronakrise beschrieben.

Immobilien können nicht „anonym“ gekauft werden

Bei Immobilien existiert keine Möglichkeit des „anonymen Kauf“. Dafür garantiert der Staat für Ihr Eigentum – wenn Sie an diese Garantie dauerhaft glauben, ist das Betongold in sicheren Händen und vor Diebstahl geschützt.

Immobilien erwirtschaften Renditen UND haben Potenzial zur Preissteigerung

Gleichzeitig können Investoren Renditen aus Immobilien erwirtschaften. Nicht nur Ankauf- und Verkaufskurs bzw. Preis sind entscheidend, sondern auch während der Haltedauer erwirtschaftet die Immobilie Renditen. Dies ist ein wesentlicher Vorteil der Immobilie gegenüber Gold. Tendenziell haben Immobilieninvestoren mehr Zeit: Wenn der Preis fällt, können sich Eigentümer auf der Mietrendite ausruhen oder die Immobilie selbst bewohnen. Viele Immobilien, häufig Reihenhäuser, Doppelhaushälften oder Einfamilienhäuser, werden häufig sogar ohne Intention erworben, den Bestand in weiter Zukunft einmal zu liquidieren. Hauptfokus ist das „Wohnen in den eigenen vier Wänden“ – damit funktioniert die eigene Immobilie als Substitutionsgut zur Mietwohnung. Je mehr Wert die Nutzungsvariante „Wohnen in den eigenen vier Wänden“ dem Nutzer wird, umso utopischere Preise für Wohnimmobilien am Markt erzielt werden. Ein Reihenhaus im Wert von einer Million steht mit der erzielbaren Rendite durch Vermietung in keinem Verhältnis mehr, wird in der Region Rhein-Main, in der ich als Makler tätig bin, dennoch aktuell einfach weggekauft. 

Gold ist global handelbar, mit Immobilien bindet sich der Eigentümer an den in-mobilen Standort

Während Sie Gold auf der ganzen Welt veräußern können, sind  Investoren nach dem Erwerb einer Immobilie gebunden. Die Immobilie ist hochgradig illiquide. Das ist übrigens auch der Grund, warum der Immobilienmakler durchaus einen hohen einstelligen Prozentsatz verdient, wenn er das Wirtschaftsgut tatsächlich zur Transaktion bringt. Als Immobilieninvestor binden Sie sich zunächst an die Mikrolage und deren Entwicklung, dann an das Bundesland (falls Sie in Deutschland kaufen) und schließlich an die Bundesrepublik Deutschland und deren Gesetze. Ihr Eigentum ist der potenziellen Willkür der Immobilienpolitik schutzlos ausgeliefert.

Mietendeckel in Berlin: Das Paradebeispiel für Willkür in der Immobilienpolitik

Wenn sie jetzt schmunzeln, reden Sie doch einmal mit dem Investor, der vor zwei Jahren eine Eigentumswohnung zur Vermietung in Berlin gekauft hat. Staatliche Regulierungen in der Immobilienpolitik können auf den Wert Ihres Eigentums voll durchschlagen; in beide Richtungen. Wetten Sie auf die Immobilie, wetten sie also auf eine positive Entwicklung der Gesetzgebung und der Exekutive im Bereich Immobilienpolitik für Immobilieninvestoren. Gold können Sie dagegen, einmal außer Landes gebracht, auch in Dubai, in Sidney, in Moskau, oder überall auf der Welt nach örtlichen Usancen verkaufen. Diese Überlegung hilft, die Kurszuwächse des Bitcoin zu erklären. Der weltweite Handel findet nämlich direkt an ihrem Computer statt. Sie sparen Transport- und Lagerkosten, das Kryptosystem ist unabhängig von Währungen und Regierungen funktionsfähig, solange das Internet existiert. Anfassen können Sie den Bitcoin trotzdem nicht. 

Ist die Investition in Immobilien besser als der Kauf von Gold?

Die Gretchenfrage zum Schluss: Ist denn jetzt die Immobilie das bessere Gold? Ehrliche Antwort: Keine Ahnung! Aber ich habe Ihnen in dem Beitrag ausreichend Denkansätze aufgezeigt – und jetzt können Sie sich Ihre eigenen Gedanken machen! 

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen Ihr
Richard Nitzsche

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Weitere Meldungen aus dem Immobilienmarkt

Diese Nachrichten haben Marktteilnehmer im Immobilienmarkt in dieser Woche außerdem bewegt:

Immobilienblase auf dem Prüfstand

Am 28.07. fragt BildOnline: „Platzt jetzt die Immobilienblase?“ Eine Expertenbefragung die kurzweilig und einfach zusammengefasst die aktuellen Meinungen unter Marktbeobachtern und Marktteilnehmern widerspiegelt. Aber auch Marktbeobachter können sich irren – oder müssen einfach noch ein wenig warten, bis die Prognosen dann doch eintreten, weil sich Trends auf dem  Immobilienmarkt langsamer manifestieren.

Weltbörsen auf Talfahrt: Corona-Zahlen in Deutschland mit Aufwind

Schlechte Konjunkturzahlen schickten die Weltbörsen in der KW31/2020 und auch den DAX auf Talfahrt.  Gleichzeitig ziehen die Corona-Fälle in Deutschland wieder an. Das RKI warnt in einer Pressekonferenz vor der potenziellen zweiten Welle. Die erhoffte, V-förmige Erholung steht in diesen Tagen auf dem Prüfstand. Für Marktakteure stellt sich dann die Frage, ob die Asset-Price-Inflaiton bedingt durch die laxe Geldpolitik negative realwirtschaftliche Entwicklungen überkompensiert oder ob sich DOCH eine Stagnation oder gar ein Rückgang der Immobilienpreise ergeben könnte.

Wohnungsnot: Deutsche blockieren zu viel Wohnraum!

Der Spiegel versucht sich an Erklärungen für die Wohnungsnot: In dieser Version der Erklärungsversuche bezieht sich das Blatt auf eine Studie des Statistischen Bundesamtes, nach der Deutsche pro Kopf mehr Wohnraum blockieren, als noch vor einigen Jahren.

Immobilien-Themen aus den vergangenen Wochen

Berichte aus dem Immobilienmarkt: Alle Wochenberichte im Überblick


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Zu den Immobilien-Themen (KW 29/2020): Kreditausfälle? Bankenkrise? Und was passiert mit den Immobilienpreisen? Corona-Effekte erreichen Realwirtschaft

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Zu den Immobilien-Themen (KW 27/2020): Lage auf dem Immobilienmarkt: Steigende Häuserpreise trotz schlechter Konjunkturdaten

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