Wird der durch Corona rapide veränderte Arbeitsalltag auch den Markt für Wohnimmobilien durcheinander wirbeln und für mehr Nachfrage im Umland der Großstädte sorgen? Bereits vergangene Woche hatte das Thema einbrechende Büromieten aufgrund von sinkender Nachfrage nach Büroflächen den Immobilienmarkt beschäftigt. Nun denken Marktbeobachter einen Schritt weiter und stellen Überlegungen zu den Folgen des Homeoffice-Trends an. Immobilienökonom Prof. Dr. Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) rechnet mit veränderten Wohnpräferenzen. Müsse der Arbeitnehmer nur noch selten ins Büro, seien weitere Pendeldistanzen vertretbar. Insofern könnte sich der Druck aus den Innenstadt- und Toplagen der Großstädte perspektivisch aufs Umland ausdehnen. Insbesondere könnte dieser Vorgang in den Ballungszentren ins Rollen kommen, in denen das Preisgefälle zwischen städtischen Mieten und den Mieten auf dem Land besonders ausgeprägt ist.
Voigtländer rechnet damit, dass die Großstädte zwar weiterhin frequentiert bleiben, dass sich der Radius um die Metropole erweitern wird. Ein erweitertes Einzugsgebiet setze jedoch voraus, dass das Umland über eine ausreichende Infrastruktur verfüge.
Im Kern der Überlegung steht die Annahme, dass sich das Homeoffice tatsächlich als dauerhafter Bestandteil der Arbeitswelten etablieren kann – auch nach der Corona Pandemie.
Wird sich die Arbeit im Homeoffice wirklich etablieren?
Ein Handelsblatt-Beitrag aus der Wochenendausgabe (28./29.30.08.) vertritt die Gegenposition. Das Homeoffice werde sich in der Ausprägung, die wir durch die Corona Pandemie aktuell erfahren, nicht durchsetzen. Als Beispiel führt das Blatt den US-Technologiekonzern „Yahoo“ an, der 2013 sämtliche Mitarbeiter aus dem Homeoffice zurück ins Büro geholt und die Homeoffice-Kultur beendet hatte.
Nachteile für Unternehmen durch flächendeckendes Homeoffice?
Wenn die besten Ideen tatsächlich zwischen Flur und Teeküche entstehen, könnten Unternehmen Nachteile durch flächendeckende Arbeit im Homeoffice entstehen. Auch nachvollziehbar ist das Argument, wie eine (Mitarbeiter bindende) Unternehmenskultur durch die Tätigkeit im Homeoffice gefördert und entwickelt werden könne.
Nun existieren bei jeder technologischen und gesellschaftlichen Veränderung, so diese einen bestimmten Umfang erreicht, verschiedene Standpunkte, die gegeneinander abgewogen werden müssen. Man bedenke, dass 2013 weder die Akzeptanz, noch die technischen Mittel für eine dauerhaft erfolgreiche Tätigkeit im Homeoffice vorhanden waren. Nachvollziehbar ist das Argument, der virtuelle Kontakt mit Kollegen oder Vertrags- / Verhandlungspartnern verhalte sich weniger intensiv, als der persönliche Kontakt. Die vergangene Wochenendausgabe des Handelsblatts berichtet von Verhandlungsproblemen durch Videokonferenzen im Handel für Notleidende Kredite. In Verhandlungen online am Bildschirm könnten „subtile Signale“ des Gegners kaum erkannt werden. Präsenzmeetings fehlen. Die Arbeit gleiche einer „Operation am offenen Herzen“, die mit „Wollhandschuhen“ durchgeführt werde. Wer einer stundenlangen virtuellen Konferenz vor dem heimischen Computer folgt, eventuell sogar ohne Bild, wird sich häufiger beim Blick aufs Handy ertappen. Fehlt der kritisch-prüfende Blick der Kollegen, könnte die Arbeitseinstellung leiden und der Arbeitnehmer den Freizeitgehalt am heimischen Arbeitsplatz maximieren – beispielsweise indem er im benachbarten Fenster, direkt neben der Zoom-Konferenz, seine Lieblingsserie auf Netflix-Desktop laufen lässt.
Gleichzeitig berichten Studien über glücklichere Mitarbeiter, eine entspanntere Arbeit im Homeoffice und einen Zeitgewinn durch die Einsparen des Pendelweges ins Büro.

…und was passiert mit den Immobilienpreisen?
Mitten in der Krise sollte es noch zu früh sein, um Aussagen über einen Megatrand zum Homeoffice zu validieren oder die Entwicklung perspektivisch auszuschließen. Die Corona Pandemie ist noch lange nicht vorbei. Die Auswirkungen, die sich aus dem Corona-Schock auf die Wirtschaft und die Märkte ergeben, sind bei Weitem noch nicht absehbar. Für Immobilieninvestoren, wie auch Mieter auf Wohnungssuche, ist es dennoch richtig, das Gedankenexperiment früh anzustellen. So lassen sich potenzielle Veränderungen im Immobilienmarkt im Auge behalten und einordnen.
Weitere Nachrichten aus dem Immobilienmarkt
Die folgenden Meldungen haben Marktteilnehmer in der 35. Kalenderwoche außerdem beschäftigt.
US-Häusermarkt mit besseren Zahlen: Homeoffice beflügelt Nachfrage
Die dpa meldet in dieser Woche eine rasante Erholung des US-Häusermarktes. Verkäufe stiegen im Juni um 20 Prozent, im Juli sogar um rund 25 Prozent. Das Nachrichtennetzwerk bezieht sich auf eine Studie des Maklerverbands National Association of Realtors (NAR). Der Trend zum Homeoffice beflügelt die Nachfrage nach größeren Häusern, der Boom sei insofern eine direkte Folge der Corona Pandemie.
Der Berliner Mietendeckel wirkt (negativ)
Die Zeit berichtet in einem ausführlichen Beitrag über die Wirkungen und Nebenwirkungen des Berliner Mietendeckels. Die Folgen für den lokalen Immobilienmarkt seien Schattenmieten, zurückgefahrener Wohnungsneubau, weniger Renovierungen und Leerstand, während Investoren auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts warten. Banken könnten zudem ihre Kriterien für die künftige Darlehensvergabe anpassen, heisst es in dem Beitrag weiter, obgleich derzeit noch keine Auswirkungen auf den Bankensektor zu vermelden seien.
ältere Wochen-News aus dem Immobilienmarkt
Berichte aus dem Immobilienmarkt: Alle Wochenberichte im Überblick
Zu den Immobilien-Themen (KW 34/2020): Corona Pandemie: Büromieten unter Druck, Preise für Wohnimmobilien steigen
Zu den Immobilien-Themen (KW 33/2020): SPD ebnet den Weg für Koalition mit Grünen und der Linken
Zu den Immobilien-Themen (KW 32/2020): Ist Corona doch nicht so schlimm?
Zu den Immobilien-Themen (KW 31/2020): Ist die Immobilie das bessere Gold?
Kommentar zum Umwandlungsverbot: Ist das die neue „Zeit für mehr Gerechtigkeit“?
2 Gedanken zu “Mit dem Homeoffice ins Umland: Macht Corona die Randlagen attraktiver? (Immobilien-Thema der KW 35/2020)”