Der Fernsehsender n-tv berichtet von einer Immobilienmaklerin in Colorado, die ein „Horror-Haus“ für mehr als eine halbe Million US-Dollar verkauft haben will. Das Haus wurde vor dem Verkauf von Mietnomaden heimgesucht und nach den Regeln des Klischees kaputt gemacht: Beschmierte Wände, Maden, Exkremente – in böswilliger Absicht, die Immobilie für einen neuen Bewohner unbrauchbar zu machen. Nun rühmt sich die Maklerin des Unternehmens „Falcon Property“, einen Mondpreis für as Haus aufgerufen und es trotzdem verkauft zu haben. Das Inserat titelte sie, laut n-tv, mit „Haus aus der Hölle“.
Beim Immobilienkauf: „Astronomische“ Summen für „Dreckslöcher“?
n-tv spricht nun von einem „überdrehten“ Immobilienmarkt und schreibt „Der Beweis ist erbracht: Es gibt Menschen, die bereit sind, astronomische Summen selbst für Dreckslöcher zu zahlen.“
Diese Formulierung, sowie der Subtext des Beitrags, sollte an dieser Stelle aus meiner Sicht einmal kritisch betrachtet werden:
Wie hoch ist das objektive Potenzial des „Horror-Hauses“?
Der Käufer bewertet im Regelfall nicht den Ist-Zustand der Immobilie, sondern das Potenzial, das er in der Immobilie sieht. Im Übrigen gehört es zu einer der Aufgaben guter Makler, Potenziale von Immobilien akkurat darzustellen und Interessenten eine Vorstellung vom Aufwand zu vermitteln, der die Bergung des jeweiligen Potenzials mit sich bringen wird. Die Maklerin wird hier zitiert mit den Worten „Es gibt keinen Quadratmeter, der nicht verschandelt und verdreckt ist. Alles muss neu gemacht werden.“
Konstruktiver wäre an dieser Stelle die Aussage: „Für die Instandsetzung sollte der Käufer 100.000 $ rechnen, ich habe mit einigen Firmen bereits gesprochen und sie wären im Fall der Auftragserteilung bereit, innerhalb 3-5 Monaten die Arbeit zu beenden.
Immobilienmarkt: Warum die Anti-Anzeige funktioniert
Aus Marketingsicht hervorragend gestaltet war die Anzeige selbst. Die Anti-Anzeige funktioniert übrigens auch in Deutschland. So hat ein Makler eine „abgerockte Bude“ inseriert, hatte es damit nicht nur ins Frühstücksfernsehen und in die Bildzeitung geschafft sondern aufgrund der hohen Klickzahlen das Haus auch vermietet. Der n-tv Betrag beschreibt das Selbe: Der Anzeige wurde nach Angaben der Maklerin 836.000 Mal geklickt und erhielt damit ein ungleich höheres Marketing-Echo, als vergleichbare Immobilien. Natürlich klicken Sie eher auf das „Horror Haus“, als auf die „Lichtdurchflutete Immobilie in ruhiger Lage“. Somit werden auch die 16 Angebote, die das Haus erhalten habe, erklärbar. Diese lassen sich auf die höhere Klickzahl zurückführen, sowie auf das durchaus charmante Äußere, das das typisch amerikanische Häuschen mit sich bringt.
Wie überdreht ist der Immobilienmarkt?
Schließlich seien rund 570 000 Dollar für die Immobilie erzielt worden. Ein Preis, der selbstverständlich auch den allgemeinen Immobilienhunger spiegelt. In den Vereinigten Staaten, wie aber auch in Deutschland, ist in der Folge der Corona-Pandemie das Thema Inflation ein Dauerbrenner. Käufer flüchten sich aus der Dollar-Liquidität in Immobilien. Aus dieser Sicht ist der Immobilienmarkt aktuell tatsächlich „überdreht“, denn die Käufer, die ein Angebot abgegeben haben, konnten für den Preis vermutlich keine bessere Offerte finden.
Hätte ein guter Makler einen höheren Kaufpreis erzielt?
Bleibt nur zu fragen, ob der Kaufpreis nicht deutlich höher gewesen wäre, wenn die Maklerin zunächst ein Unternehmen beauftragt hätte, das den funktionsuntüchtigen Kühlschrank mit madenüberzogenem Altfleisch (seit einem Jahr im Haus), sowie den gröbsten Unrat, entsorgt hätte. Auch ein sogenannter Verkaufsanstrich hätte sich eventuell gelohnt. Unter Umständen werden sich die Käufer mit einigem Missfallen an die Firma „Falcon Property“ erinnern, wenn sie Presseartikel ihrer Maklerin ausfindig machen, auf denen Sie die Preisfindung als „Mondpreis“ beschreibt. Im US-Markt, in dem häufig mehrere Makler das selbe Objekt vertreiben, könnte ein fader Nachgeschmack des Geschäfts an Maklerin und Maklerunternehmen hängen bleiben; der sich dann auch leider wieder mit dem allgemeinen Klischee des Immobilienmaklers deckt.
Die umfangreichen Renovierungsmaßnahmen wird dann wohl der neue Eigentümer durchführen… müssen.
Zum Autor:
Richard Nitzsche ist Immobilienmakler und Verfasser des Ratgebers „Der Mietercoach“.