Immobilien an Halloween (Special 2022): Die Alleinlage

Am Montag, den 31.Oktober 2022 ist Halloween. Im dreiteiligen Halloween-Special von mietercoach® erzählt Richard Nitzsche drei Gruselgeschichten, die in Geisterhäusern spielen oder mit Immobilien in Verbindung stehen. Erkennen Sie die wahre Geschichte? 

In seinem Podcast / auf seinem YouTube-Kanal hat Richard Nitzsche alle drei Halloween-Geschichten vertont. Schauen Sie doch einmal vorbei.

Immobilien-Story 1: Die Alleinlage
Wie in der Liebe treffen Menschen ihre Wahl beim Immobilienkauf aus dem Bauch heraus. Dann halten sie auch gegen rationale Argumente stoisch an ihrer Entscheidung fest und ignorieren, dass ihnen genau diese Auswahl vielleicht gar nicht gut tut. Anna und Ben hatten endlich ihr Traumhaus gefunden. Die alte Mühle stand einsam am Rand einer riesigen Wiese, umgeben von tiefen Wäldern. Eine echte Alleinlage. Auf den ersten Blick war das Haus mit seinen zwei Flügeln ein echtes Juwel. Schon als das junge, attraktive Paar aus dem Auto stieg, hatten sie sich in das Haus verliebt. Ich sah das begeisterte Funkeln in ihren Augen, als ich sie am Hoftor begrüßte. Die beiden wohnten noch mitten in Frankfurt und suchten ihre erste gemeinsame Immobilie. Sie wollten ihre eigene Farm, draußen auf dem Land. „Ohne Nachbarn!“, lachte die junge Frau. Das Haus schien wie für sie geschaffen. 

Als Makler sollte ich mich glücklich schätzen, eine so außergewöhnliche Immobilie in den Bestand zu bekommen. Die aktuellen Eigentümer bewohnten das Haus seit zwei Jahren. Ein Bekannter hatte das kinderlose Paar an mich verwiesen. Er wusste, dass ich „ambitionierte Immobilien“ betreue. Denn obwohl die Fassade frisch gestrichen war und das neu gedeckte Dach des Hauses im Sonnenlicht blitzte, offenbarten sich für den geübten Blick schnell die Probleme der Immobilie: 

Erst als die Sanierung von Dach und Front abgeschlossen war, entdeckten die Eigentümer den Ursprung der nassen Wand. Die Feuchtigkeit kam nicht vom Dach, wie bisher angenommen, sondern aus dem Kriechkeller. Ich erahnte das Problem bei der ersten Begutachtung sofort. Als ich mir den Keller ansehen wollte, meinte die Eigentümerin schnell: „Das geht nicht, der vorherige Eigentümer hat den Keller zugemauert.“ Mit einem Blick auf den zugemauerten Schacht erkannte ich, dass die Backsteine dort noch keine zwei Jahre lagen. Die Eigentümer hatten den Eingang zum Kriegkeller also selbst vermauert, um das Problem vor den neuen Käufern zu verbergen. Ich ließ die Aussage so stehen und fragte nur, ob sie dies notariell beurkunden würde. Die Eigentümerin bejahte. So hatte ich das Haus bewusst „provisionsfrei für den Käufer“ in den Bestand genommen. Die einseitige Beauftragung durch den Verkäufer mindert die Aufklärungspflichten des Maklers. Das Haus hatte die aktuellen Eigentümer förmlich ausgesaugt. Sie waren pleite und wollten sich mit dem Verkauf retten. Ich übernahm den Auftrag mit dem Ziel, einen Käufer zu finden, der sich über das Substanzproblem im Klaren ist. 

Anna und Ben erkannten es leider nicht. Blind vor Liebe machten sie sich lieber Gedanken über die Einrichtung. Ben freute sich, endlich einen „Aufsitzrasenmäher“ nutzen zu können und Anna lamentierte über den offenen Kamin und ihren Traum von einer Alpaka-Zucht. Das Geld hatte Tom von seiner kürzlich verstorbenen Mutter geerbt. Er war sich sicher, das Richtige zu tun. „Wollen Sie einen zweiten Termin machen, bei dem Sie noch einmal einen Sachverständigen mitbringen?“, fragte ich. Bevor Ben antwortete, erklärte die Eigentümerin spitz, es gäbe einen weiteren Interessenten. „Nein“, sagte Ben schnell in der Angst, die Chance auf das Traumhaus zu verpassen, „wir nehmen es!“ Anna strahlte und griff verliebt nach seiner Hand. Vier Tage später war der Notartermin. Ich wurde von den Verkäufern bezahlt und ging mit den besten Wünschen an die Käufer meines Weges … 

Die Euphorie wich der Realität. Zwar liebten Ben und Anna das Haus auch noch einige Monate nach ihrem Einzug; aber die Immobilie zollte ihren Tribut. Die notwendige Sanierung des Nebengebäudes lief nicht rund und verschlang Unsummen. Zudem war der Feuchteschaden an der Außenwand gewachsen und inzwischen den für Leien sichtbar. Ben versuchte erfolglos, die Wand in Eigenarbeit trocken zu legen. Ihr Kapital war nach dem Hauskauf fast erschöpft, die Kreditlinie überzogen. Einmal rief er mich an, erzählte von seinen Problemen und fragte vorsichtig, ob ich denn womöglich einen Käufer kenne, der ihnen die Immobilie wieder abnehmen würde. Um mehr Geld zu verdienen, arbeitete Ben oft die Nächte durch. Mit dem sterbenden Sommer kämpfte auch die Liebe des jungen Pärchens um ihr Überleben. Sie stritten viel. Anna rang mit der Einsamkeit.

In den ersten Monaten hatten sie jeden Sonnenuntergang über dem Wäldchen zusammen erlebt. Jetzt war die hübsche, junge Frau in der Abenddämmerung allein. Als die Nacht hereinbrach, ging sie allein ins Haus. Auf der Lichtung, umgeben von den dichten Wäldern, gab es nur noch sie. Anna kauerte auf der Couch vor den lodernden Flammen des offenen Kamins. Mit dem Flackern der Flammen zuckten die Schatten aus den Ecken und hinter den Möbeln. Sie sah aus dem großen Fenster. Ihr Blick verlor sich in der Schwärze der Nacht. Gleichsam wusste sie, dass man sie sehen konnte von draußen. Man sah sie über die ganze Lichtung. Sogar vom Waldrand war der Blick völlig frei in ihr Wohnzimmer. Plötzlich fühlte sie sich beobachtet. War da was? War da wer, der Anna aus dem verborgenen, im Schutz der Nacht ansah… begutachtete… Sie ging zur Tür, schob den Riegel vor und drehte den Schlüssel zwei Mal im Schloss herum. Es klackte blechern. Sie wusste, dass ihr das Abschließen kaum helfen könnte, wenn da wirklich etwas war. Erdrückende Stille, nur das Knacken des lodernden Feuers. Die Zeit floss dahin, die Zeiger der Uhr liefen gegen Mitternacht. Nichts passierte. Irgendwann schlief Anna ein …

Die ersten Sonnenstrahlen fielen durchs Fenster und kitzelten sie wach. Ben lag neben ihr auf dem Sofa. Er war gegen morgen heimgekehrt, Anna hatte zu tief geschlafen und ihn nicht bemerkt. „Der Keller!“, rief sie. Ihr Traum verblasste schnell. Anna versuchte, die Bilder in Gedanken fest zu halten. „Wir müssen in den Keller!“, rüttelte sie Ben wach. Das Paar benötigte fast das ganze Wochenende, um das noch frische Mauerwerk aufzubrechen. Ben sah keinen Sinn in der Aktion. Er ärgerte sich, dass sie die so wertvolle Zeit nicht sinnvoll investierten. Seine Verlobte konnte ihm nicht einmal begründen, warum sie den Kriechkeller unbedingt öffnen wollte. „Da war dieser Traum…“ Und doch lies sie nicht locker, „..wenn es das letzte ist, was ich hier tue!“ Gegen Sonntagabend fiel das Mäuerchen endlich. Ausgerüstet mit einer Taschenlampe kroch Anna zielstrebig zur linken Ecke; die der unglückseligen Wand direkt gegenüber lag. Von losem Geröll überdeckt fand sie ein Säckchen. Anna kroch heraus. Sie setzten sich auf die Holzbank im Innenhof. Die Sonne stand rotgolden am wolkenlosen Herbsthimmel, als sie gemeinsam den in den Sonnenstrahlen funkelnden Inhalt freilegten. GOLD! Anna hatte wirklich ein Säckchen Gold gefunden. 

Es stand außer Frage, dass sie den Fund behalten durften. Der vorletzte Eigentümer, der letzte Ahne der ursprünglichen Mühlenbesitzer, war vor ein paar Jahren gestorben. Er hatte keine Nachkommen. Und von den letzten Eigentümern existierte ein Notarvertrag in dem amtlich vermerkt war, das diese den Keller niemals betreten hatten …

Vom Verkaufserlös konnten Anna und Ben die überfälligen Sanierungen durchführen. Ich freute mich für das Paar, als ich von dieser glücklichen Wendung erfuhr – nicht zuletzt, weil ich die Immobilie kein zweites Mal an den Mann bringen musste. 

Inzwischen haben Anna und Ben geheiratet. Ihr zweites Kind ist unterwegs. Die merkwürdige Präsenz aus der bewussten Nacht hat Anna niemals wieder gefühlt. 

Das Haus auf der Lichtung hat sich seine Bewohner selbst gewählt … 

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