Halloween-Special 2022 – Teil III: Geisterhafter Untermieter

Heute Nacht lesen Sie den dritten und letzten Teil des großen Mietercoach-Halloween-Specials 2022. Makler Richard Nitzsche erzählt drei geisterhafte Geschichten aus seiner Karriere als Immobilienmakler, nur eine folgt einer wahren Begebenheit. Gelingt es ihm, Sie zu täuschen?  Oder werden Sie die erdachten Immobilien- Geschichten sofort erkennen? 

In seinem Podcast hat Richard Nitzsche alle drei Halloween-Geschichten 2022 vertont. Schauen Sie doch einmal vorbei. Hier finden Sie auch die Auflösung.

Dritter Teil des Halloween-Specials 2022:
Der geisterhafte Untermieter 

Lars wohnte seit fast einem halben Jahr in seiner Mietwohnung. Ich hatte meinem Bekannten die kleine Immobilie vermittelt. Die Trennung von seiner Freundin kam überstürzt. Ich dachte, die beiden würden sich bald versöhnen und schob ihn deshalb in eine Wohnung, die sich zügig weitervermieten lies; falls sich das ungleiche Paar dann doch wieder zusammenraufte. Aber ich lag falsch. Carina hatte inzwischen einen neuen Partner. Lars wurde immer wunderlicher. Als wir uns bei einem gemeinsamen Freund trafen, faselte er wirres Zeug. Er berichtete über seltsame Geräusche in der Zweizimmerwohnung, die ihm seinen Schlaf raubten. „Ich verliere dauernd Sachen“, meinte er verzweifelt, „und obwohl ich mehr Geld beim im Supermarkt ausgebe, bleibe ich hungrig und werde trotzdem immer dünner!“ Ich erklärte ihm, dass es uns wegen der Inflation allen so gehe; aber Lars blieb beharrlich: „Du hast mir die Wohnung vermittelt, Du MUSST das in Ordnung bringen! Irgendwas stimmt nicht mit Deiner Wohnung!“ Ich seufzte und versprach ihm, einige Tage später bei ihm vorbei zu schauen. In dem Wohnblock vermittele ich laufend Wohnungen; aktuell war eine Dreizimmerwohnung vakant. Ich würde Lars im Anschluss an die Besichtigung besuchen. Vermutlich kam er einfach nicht mit der Einsamkeit klar. Ich konnte mich nicht erinnern, dass Lars schon einmal so lange Single geblieben war; eventuell war das ja ein Grund, warum seine Beziehungen bisher nicht funktionierten. Lars öffnete mir mit zitternden Händen die Wohnungstür. „Ich habe heute Mittag einen Ketchupfleck am Boden gefunden!“, sagte er mit stechendem Blick, „dabei ist es fünf Wochen her, dass ich das letzte Mal Ketchup benutzt habe.“ Ich riet ihm, öfter auf den Boden zu sehen und häufiger zu putzen. Das fand er nicht komisch. Jedenfalls sah es nicht gut aus in Lars Wohnung. Ich entdeckte Schlaftabletten und die jede Menge leerer Bierflaschen. „Gib es zu“, argumentierte ich, „Carina fehlt Dir sehr.“ Aber das sei nicht das Problem. Er müsse wieder auf die Beine kommen, riet ich ihm und begann, seine Küche aufzuräumen. „Vielleicht bist Du Schlafwandler, ohne es zu wissen…“, suchte ich nach Argumenten. „Du nimmst mich einfach nicht ernst“, beschwerte er sich. Ich hielt inne, dachte nach und musste zugeben, dass er Recht hatte. Ich nahm ihn nicht ernst. Vielmehr nahm ich an , dass Alkohol und die Einsamkeit seine Sinne vernebelten. Dann erinnerte ich mich an die Worte meines Mentors – ein erfolgreicher Salesman, den ich in meiner Zeit in den USA kennen und schätzen gelernt hatte. Er sagte, man müsse immer offen bleiben. Voreingenommenheit versaut das Geschäft, sagte Andrew häufig. Ich atmete tief durch und sagte dann: „Okay. Ich habe eine Idee: Wir installieren in deiner Wohnung Kameras, dann sehen wir, was passiert. Vielleicht hast Du ja Nachts eine Mäusefamilie zu Besuch.“
Zufällig hatte ich einige Haustiercams im Büro. Sie verfügten über Nachtsicht- und Speicherfunktion und einen Automatiksensor, der bei Bewegung anspringt. „So entgeht Dir nichts.“ Ich brachte Lars die drei Kameras am selben Nachmittag. Damit war Lars glücklich und ich hakte das Thema als „erledigt“ ab. Einige Tage später hatte ich unser Treffen gänzlich vergessen, als mir Lars plötzlich eines Morgens eine Nachricht mit Videoanhang schickte. Das mit Infrarot-Funktion aufgenommene Video zeigte Lars schlafend im Bett. Der Zeitstempel: Donnerstag, 2:34 Uhr. Eine magere Gestalt lief durchs Bild, stand minutenlang still neben dem Bett. Dann tastete sie sich vorwärts… öffnete einen Schrank und verschwand darin. Ich hatte geweitete Augen. Ein weitere Video erreichte mich von Lars Nummer. 9:37 Uhr. Lars musste bei der Arbeit gewesen sein. Der Schrank geht auf. Die Person, offensichtlich eine Frau, tritt heraus; schließt den Schrank und läuft in die Küche. Sie öffnet den Kühlschrank, nimmt sich einige Sachen heraus und verlässt die Wohnung. Und du dachtest, ich bin verrückt!, schrieb mein Freund. Ich griff zum Telefon und rief ihn an. Er erzählte mir, dass es sich bei der Person um eine Obdachlose gehandelt hat. Irgendwie war sie in den Besitz des Schlüssels gelangt. Die vergangenen Monate hatte sie wechselweise in Lars Keller und im Schrank verbracht; denn der Schlüssel funktionierte in beiden Schlössern. Ich presste die Lippen aufeinander und schauderte, bei der Vorstellung des ungebetenen Gasts, der des Nachts minutenlang neben dem Bett steht und mich beim Schlafen beobachtet. Ein weiteres Trauma, mit dem Lars nun wohl leben muss. Die Frau war inzwischen im Polizeigewahrsam. Dennoch prüfte ich am selben Tag jede einzelne Position in meinem Schüsselbuch… 

Zum zweiten Teil des Halloween-Specials 2022:
Der Schutzengel

Zum ersten Teil des Halloween-Specials 2022:
Die Alleinlage 

Kommentar verfassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.