Der deutsche Markt für Wohnimmobilien präsentiert sich weiterhin verschnupft. Käufer warten auf weiter fallende Preise oder haben sich wegen gestiegener Zinsen und der Furcht vor hohen Nebenkosten gänzlich aus dem Immobilienmarkt verabschiedet. In das Bild eines „geschockten“ Immobilienmarkts passt auch die Meldung der dpa auf den Seiten der Wirtschaftswoche: Das Neugeschäft mit Baufinanzierungen sei eingebrochen. Verglichen mit dem Vorjahresmonat sei das Neugeschäft mit Baufinanzierungen an Privatkunden um 28 Prozent geschrumpft und liege nun auf dem „niedrigsten Stand seit 2014.“
Eigentümer klammern sich an veraltete Preisvorstellungen
Weniger Immobiliendarlehen haben zwangsläufig weniger Immobilientransaktionen zur Folge. Für Immobilienmakler bedeutet diese Situation schwergängige Objekte und längere Vermarktungszeiten. Sogar in Ballungszentren ist der Markt eingeschlafen. „Viele Eigentümer wollen die aktuelle Preiskorrektur nicht wahr haben und klammern sich an Preisvorstellungen, die vor einigen Monaten begründet wurden oder sogar schon ein Jahr zurückliegen“, sagt Immobilienmakler Richard Nitzsche. Verkaufswillige Eigentümer hätten augenscheinlich den Gipfel verpasst, sagt Nitzsche. Höchstpreise ließen sich zwischen Sommer 2021 und Jahresbeginn 2022 realisieren. Richard Nitzsche ist Makler in Frankfurt am Main. Er berichtet von einer Familie, die er beim Hauskauf unterstützt:
„Das Reihenhaus im gehobenen Stadtteil Sachsenhausen kam vor mehr als einem Jahr mit 120 Prozent des Wertes an den Markt. Inzwischen ruft der gegnerische Makler an und offeriert die Immobilie im Telefonat für 80 Prozent des Marktwertes. Er hat die öffentliche Ausschreibung im Immobilienportal bereits auf 90 Prozent des Schätzwertes gesenkt, aber kann nach der Preiskorrektur noch immer keinen Käufer finden.“ Eine Umfrage des Immobilienverbands IVD Nord deckt die Beobachtung. Der Maklerverband hat kürzlich seine Mitglieder zur Lage am Markt befragt. Mehr als 90 Prozent der befragten Unternehmen geben an, dass die Kaufnachfrage zurückgegangen sei, 60 Prozent sehen sogar einen „starken“ Rückgang der Nachfrage nach selbstgenutzten Wohnimmobilien.
Immobilienkauf: Sollten Käufer jetzt zuschlagen?
Wegen der stark gestiegenen Kosten für Immobiliendarlehen könnten eine Mehrzahl der Käufer ihre Wunschobjekte nicht mehr finanzieren, sagt Richard Nitzsche. Die Belastung für Käufer bei Abschluss eines Immobilienkredits habe sich seit den Tiefständen vervierfacht. Der Markt habe sich von einem Verkäufermarkt in einen Käufermarkt gedreht. „Käufer, die aktuell eine Immobilie erwerben möchten und die die Finanzierung darstellen können, sind gerade in einer hervorragenden Verhandlungsposition“, meint Nitzsche. Er hat kürzlich einen Kurs für die erfolgreiche Preisverhandlung beim Immobilienkauf veröffentlicht, den Käufer auf seiner Homepage herunterladen können. Ob die Preise allerdings weiter fallen, sei ungewiss. Zwar sei gerade ein Ende der Zinsexplosion nicht absehbar und mit jedem weiteren Anstieg der Zinsen verschwinden erneut Käufer aus dem Markt. „Es ist aber schon auch denkbar, dass die Zentralbanken vor Ihrer eigenen Courage in die Knie gehen und die Zinsen wieder senken, wenn die negativen Folgen der Zinserhöhungen im nächsten Jahr die Realwirtschaft mit voller Wucht treffen. Vielleicht haben sich dann weitere Unsicherheitsfaktoren, wie Energieknappheit und der Ukraine-Krieg in Wohlgefallen aufgelöst.“ Das Kaufinteressenten ab einem bestimmten Punkt in den Markt zurückkehren werden, steht für Immobilienmakler Richard Nitzsche ausser Frage. Noch immer sei für einen Großteil der Deutschen der Traum vom Eigenheim ein Lebensziel, das man unbedingt erreichen möchte.