Immobilien gelten als sichere Anlage. Gerade in Krisenzeiten ist die Immobilie der sichere Hafen und auch während der Inflation seien Eigentümer von Sachwerten gut abgesichert – so die landläufig vorherrschende Meinung, die auch Wallstreet-Online in einer publizierten Pressemeldung aufnimmt. Hier heisst es zur Inflation: „Immobilien, Gold und erstklassige Firmen lassen sich dagegen nicht beliebig vermehren (…) über Jahrzehnte gesehen, hätten die Sachwerte eine Rendite klar oberhalb der Inflationsrate erzielt.“ Überschrieben ist der Beitrag markig mit „Schutz vor Inflation / Darum gewinnen die Sachwerte auf Dauer immer.“
Immobilien gewinnen also als Sachwerte während Wirtschaftskrise und Inflation... immer...?
Wieder einmal wird es Zeit, die Immobilie als Investment ausgiebig zu beleuchten. Ist die Immobilie wirklich der sichere Hafen? Oder lohnt es sich, das Risiko doch kritisch zu hinterfragen: Bietet die Immobilie tatsächlich einen guten Schutz vor Inflation? Ist die Anlage in Immobilien wirklich sicher? Oder handelt es sich bei der Volksweisheit der inflationsgeschützten Immobilie um eine Mär, die von Vermögensberatern erfunden wurde, um Kapitalanlagen an Privatanleger zu verkaufen.
Immobilien, gleich ob es sich um Eigentumswohnungen, Häuser, gewerblich genutzte Immobilien oder Grundstücke handelt, verfügen über einen sogenannten inneren Wert: Sie können mit Ihrer Immobilie „etwas tun“. In der Eigentumswohnung können Sie wohnen und haben somit ein Dach über dem Kopf. Auf dem brachliegenden Grundstück können Sie „etwas entwickeln.“ Sie können Tomaten züchten oder, wenn es das Baurecht ermöglicht, ein Mehrfamilienhaus bauen; mindestens lässt sich mit dem Grund irgendetwas tun – und zwar unabhängig von anderen Marktteilnehmern.
Stellen Sie sich einmal vor, andere Marktteilnehmer existierten nicht mehr. Was könnten Sie mit einem Euroschein, einem Bitcoin oder einem Goldbarren tun? Die Immobilie hat also mindestens den Wert, den es für Sie hat, die Immobilie zu nutzen. Definieren Sie diesen Wert, so liegt dieser bei den Opportunitätskosten der Miete. Sie fragen sich also, wieviel sie einem Dritten bezahlen müssten, um das Nutzungsrecht einer vergleichbaren Immobilie zu erhalten. Danach subtrahieren Sie Steuern, Ausgaben, die die Immobilie direkt verursacht, sowie Finanzierungskosten über die geplante Halte- bzw. Nutzungsdauer. Im Ergebnis erhalten Sie den Immobilienwert.
Richtig ist, dass sich dieser Wert, ceteris paribus, an die Inflationsentwicklung angleichen wird, weil sich die Immobilie grundsätzlich nicht wegsubstituierten lässt. In einer inflationären Umgebung wird der Preis der Nutzung mit dem verfallenden Geldwert grundsätzlich steigen. Gleichzeitig verlieren potenziell mit der Immobilie in Verbindung stehende Schulden an Kaufkraft. „Inflation ist für Eigentümer sinnvoll, weil auch die Schulden an Kaufkraft verlieren“, heisst es manchmal im Volksmund. Auch das wäre richtig, wenn die Politik keine Gegenmaßnahmen ergreift. Lesen Sie dazu die Abschnitte zum politischen Risiko der Immobilieninvestition.
Der Grundsätzliche Schutz vor der Inflation bedeutet hier: Der Immobilienwert steigt vor dem Hintergrund gleicher Bedingungen. Nun können sich aber die im vorhergehenden Abschnitt aufgeführten Bedingungen ändern und es ist in einer Krisensituation sogar wahrscheinlich, dass sich die oben skizzierten, wertbestimmenden Teilkomponenten ändern. Einige Szenarien beschreibe ich im Folgenden:
So können beispielsweise die Finanzierungskosten der Immobilie steigen. Dies haben wir im ablaufenden Jahr bereits zu spüren bekommen. Hier ist sogar ein gegenläufiger Effekt zur Inflationsentwicklung volkswirtschaftlich logisch. Steigt die Inflation, ist die Zentralbank bestrebt, die Zinsen zu erhöhen um die Inflationsentwicklung einzudämmen. Dies verteuert die Finanzierungskosten. Weniger Nachfrager können sich eine Immobilie leisten. Der erschwingliche Preis ist für Nachfrager tendenziell gefallen. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach der Immobilienklasse, beispielsweise Wohnraum, jedoch mindestens gleich geblieben. Weil für die Nachfrager mit steigendenden Finanzierungskosten das Wunschprodukt teurer wird, wählen sie das Substitutionsprodukt – die Immobilie Miete. Im Resultat fallen die Kaufpreise und steigend die Mieten.
Nun könnte auch die Nachfrage nach bspw. Wohnraum oder Gewerberaum sinken. Beispielsweise wenn Marktteilnehmer von Punkt X an dem sich Ihre Immobilie befindet, zu Punkt Y-Z ausweichen – vielleicht, weil sie die Mieten nicht mehr aufbringen können oder / und weil es aufgrund von Arbeitslosigkeit keinen Sinn mehr macht, am Punkt X zu wohnen. Vielleicht sinkt die Nachfrage, weil das Angebot an verfügbarem Wohnraum steigt oder die Nachfrage verlagert sich auf andere Immobilien, die bessere energetische Standards aufweisen. Damit wird die Warmmiete in der anderen Immobilie eventuell geringer verglichen mit Ihrer Immobilie oder die Immobilien ziehen preislich gleich, doch der Komfort in der anderen Immobilie ist größer. Der Wert Ihrer Immobilie sinkt, weil die Nachfrage abnimmt. Im Gewerbebereich könnte die Nachfrage abnehmen, weil eine strukturelle Veränderung eintritt: Vielleicht wird das Büro nicht mehr benötigt, weil eine Pandemie sämtliche Arbeitnehmer ans Homeoffice bindet oder für eine Tätigkeit außerhalb des Büros mindestens erwärmt. Vielleicht fallen die Arbeitsplätze in Gänze weg, weil die Arbeit von Robotern übernommen wird.
Bedenken Sie: Die Duration eines sogenannten, sicheren, Immobilieninvestments ist mehr als zehn Jahre. Was kann sich in zehn Jahren ändern?
Bestimmte Themen können plötzlich in den Fokus gelangen und politische Entscheidungen beeinflussen, die ihre Rendite signifikant ändern. Klimawandel? Im Jahre 2012 (also vor zehn Jahren) war Klimawandel noch kein Thema. Welche Themen wird die Politik 2032 diskutieren? Drucken Sie sich diesen Beitrag aus und lassen sie ihn zehn Jahre liegen, dann erinnern sie sich zurück. Durch CO2-reduzierende Maßnahmen wird es für Eigentümer älterer Immobilien vielleicht bald teuer, wenn sie für die Sanierung ihrer Objekte aufkommen müssen. Denn Eigentum verpflichtet. Bereits in der Vergangenheit führte die Politik, aus meiner Sicht mit zweifelhaften Motivationen oder wenigstens mit zweifelhafter Kompetenz, Reformen am Mietpreis durch, die nachteilige Auswirkungen für Vermieter mit sich brachten. Einige Stichworte: Mietpreisbremse, Mietendeckel, Bestellerprinzip bei den Mieten. In welche Richtung drängt sich die politische Meinungsmache wohl in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren?
Erst kürzlich wurden die Bewertungsgrundsätze für die Wertermittlung von Immobilien im Rahmen des Vererbens novelliert – mit extrem Nachteiligen Auswirkungen auf Erblasser und Erben.
Blicken wir zurück in die Vergangenheit: Nach dem Krieg wurden Eigentümer mit einem Lastenausgleich in Höhe von sage und schreibe fünfzig Prozent des Immobilienwerts belastet. Ist dieser Blick in die Vergangenheit gleichzeitig ein Blick in unsere Zukunft?
Politische Risiken könnten jedoch auch noch viel gravierendere Ausmaße annehmen. Stellen sie sich vor, sie hätten in der Ost-Ukraine eine Eigentumswohnung erworben. Der Kriegsfall lässt sich übrigens nicht versichern. Die Immobilie ist un-mobil. Sie können sie nicht einfach einpacken und mitnehmen, wenn sich Ihr Lebensmittelpunkt ändert. Auch ist das Recht über die Immobilie zu verfügen und den Ertrag aus dem Eigentum zu ziehen, verflochten mit der aktuell vorherrschenden Rechtsordnung und der Definition des Begriffes Eigentum. Im Zweifel schützt das Gewaltmonopol des Staates Ihr Eigentum. Mit dem Eigentumsbegriff in der derzeit vorherrschenden Definition kalkulieren Sie bei einem Erwerb ihrer Immobilie. Zurecht, denn nach dem Ende des zweiten Weltkriegs haben sich an dieser Definition keine signifikanten Änderungen ergeben. Wie sicher sind Sie, dass sich diese, aktuell gängige, Definition die nächsten 10, 20, 40 Jahre nicht ändern wird?
Über die entspannte Ära der Nachkriegszeit geriet für Eigentümer häufig in Vergessenheit, dass der Staat Grundrechte einschränken kann, wenn dies aus seiner Sicht erforderlich und verhältnismäßig ist. Beispielsweise wäre der Verteidigungsfall oder Bündnisfall im Rahmen einer Kriegswirtschaft ein Szenario, die etwaige Einschränkungen des Grundrechts „Eigentum“ rechtfertigen könnte.
Während der Corona-Pandemie wurden die Grundrechte ebenfalls eingeschränkt in einer Weise, die vor der Pandemie kaum ein Politikwissenschaftler oder -beobachter für möglich gehalten hätte :
Die Maßnahmen wurden jedoch von einer Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen, während sich eine Minderheit – teils vehement – gegen die Maßnahmen aussprach. Die Aufarbeitung der Grundrechtseinschränkungen während Corona war dieses Jahr bereits im Frühsommer Thema bei institutionellen Investoren. Der BIIS, der Bundesverband der Immobilien-Investment-Sachverständigen e.V. hatte den ehemaligen obersten Verfassungsrichter, Prof. Hans-Jürgen Papier, als Keynote-Speaker zur Jahrestagung Immobilienfonds eingeladen.
Von Corona zum Immobilieneigentum…
Wussten Sie, dass Immobilieneigentümer in Deutschland zur Minderheit gehören? Rund 60 Prozent der deutschen Haushalte sind nämlich Mieterhaushalte. Weitaus geringer ist der Prozentsatz der Eigentümer, die Wohnraum Dritten zur Miete anbieten. Das Handelsblatt spricht in einer Quelle von 2017 über 3,9 Millionen Kleinvermieter. Das wären knapp 5 Prozent der Bevölkerung. Die Vermieter unter Ihnen sind also eine sogenannte „Minderheit“.
Der bekannte SPD-Politiker und Generalsekretär seiner Partei, Kevin Kühnert, hatte bereits 2019 gefordert „Jeder sollte maximal den Wohnraum besitzen, in dem er selbst wohnt.“ Aus seiner Sicht wäre dies eine Maßnahme zum Wohle der Allgemeinheit.
Schon heute wird die „Enteignung“ praktiziert, wenn sich keine gütliche Lösung finden lässt, das Wohl der Allgemeinheit klar den Bedürfnissen des Eigentümers entgegensteht und die Interessen der Allgemeinheit den Einzelinteressen des Eigentümers überwiegen – beispielsweise bei Straßen- oder im Städtebau. Das Wohl der Mehrheit rechtfertig den Eingriff in das Grundrecht der Minderheit, es ist verhältnismäßig.
Gesellschaften ändern sich, sie passen sich exogenen Gegebenheiten an. Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren rasant verändert. Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Katrin Dagmar Göring-Eckardt, wird in einem t-online Artikel zitiert mit den Worten „Die Einschränkungen sind nur der Anfang“. Sie fordert einen „Wohlstand des Weniger“. Ihre Partei, Bündnis90 die Grünen, sind als Teil der Ampel Regierungspartei. In aktuellen Wahlumfragen liegen die Grünen zwischen 17 Prozent und 22 Prozent. (09.12.2022). Mit dieser Entwicklung sind die Grünen die Einzige der Ampelparteien, die während der Regierungsphase, die vor ziemlich genau einem Jahr begann, Wählerstimmen hinzugewinnen konnte. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass die Grünen auch in der nächsten Legislaturperiode weiterhin als Regierungspartei auftreten? Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass Ihre vermietete Eigentumswohnung unter Neuerungen fällt, die vom „Wohlstand des Weniger“ betroffen sein können?
Immobilien sind einzigartig. Einzigartig ist das Gegenteil von fungibel. Ein Erwerb ohne Besichtigung ist zwar grundsätzlich möglich, birgt für den Erwerbenden jedoch erhebliche Risiken. Vergleichen Sie den Vermögenswert Immobilie mit dem Vermögenswert Aktie. Die Zeit zwischen Ihrem Entschluss, die Aktie zu verkaufen und dem tatsächlichen Verkauf kann an Werktagen weniger als 5 Minuten betragen. Eine Immobilie lässt sich ohne Notartermin gar nicht veräußern. Das bedeutet, als Eigentümer können Sie auf rasch verändernde Marktlagen praktisch nicht reagieren. Zuweilen bewerten Marktbeobachter dies als Vorteil, denn der Immobilieneigentümer verkauft nicht vorschnell. Aus finanztheoretischer Perspektive bleibt der Nachteil jedoch ein Nachteil. Dieser müsste mit entsprechend höherem Ertrag rückvergütet werden, um das Immobilieninvestent, verglichen mit einer Aktieninvestition (die ansonsten identische Risikoparameter aufweist) in den Gleichgewichtspreis zu bringen. Soll die Immobilie also zügig veräußert werden, beispielsweise weil sich eins der oben aufgeführten Szenarien abzeichnet, werden Verkäufer vermutlich erhebliche Preisabschläge bei der Liquidation in Kauf nehmen müssen. Auf anderem Weg gelingt es Eigentümern nicht, bei einem Verkauf vor die Welle zu gelangen. Eine entsprechende Entwicklung zeichnet sich aktuell in der Reaktion auf das stark gestiegene Zinsniveau ab.
Gerade in unsicheren Zeiten raten Finanztheoretiker zur Diversifikation der Risiken. Privatinvestoren binden mit einem Immobilienerwerb jedoch einen vergleichsweise großen Teil ihres Kapitals. Diesen Teil greift nun das volle Risiko aus der Investition an. Eine Änderungen der Lageparameter, beispielsweise weil neben Ihrer Immobilie eine Disko geplant oder eine Schnellstraße gebaut wird, wirken auf einen hohen Teil des Investitionsvermögens. Wenn Sie in Wertpapiere investieren und eine Million Euro zu investieren haben, werden die meisten Investoren vermutlich nicht 600.000 Euro auf eine einzelne Aktie setzen, sondern sich breiter aufstellen. Der Grund, warum Investoren mit der Hilfe von Immobilien vermögend geworden sind, lag im Willen, ein doch recht hohes Investitionsrisiko auf sich zu nehmen. Vielleicht kennen Sie sogar den ein oder anderen, der sich mit Immobilien in der letzten Dekade ein Vermögen aufgebaut hat. Es existieren deshalb so viele erfolgreiche Immobilieninvestoren, weil die Preise für Wohnimmobilien in den letzten Jahren signifikant gestiegen sind.
Häufig lese ich das Argument: Langfristig konnten Immobilien (und Aktien) bisher immer zulegen. Immobilien seien daher „sicher“. Kurzfristige Downturns müsse man aussitzen. Auch der oben zitierte Beitrag führt diese Argumentation an und hat mich deshalb sogar konkret dazu motiviert, erneut und ausführlich über das Thema „Sicherheit der Immobilieninvestition“ zu berichten.
Chartanalysten und Investmentberater nutzen bei Analyse und Verkauf von Investmentprodukten gerne die Historie, um aus dieser auf die Zukunft zu schließen. Diese Aussage hätte bis zum Ende letzten Jahres übrigens auch für den Bitcoin gegolten. Heute notiert die Cryptowährung bei 16.000 Euro im fallenden Trend. Haben Sie bei 60.000 Euro gekauft, hätten Sie aktuell 75% Ihrer Investitionssumme verloren. Mindestens bleibt Ihnen bei der Immobilie der intrinsische Wert (siehe oben) , sie können selbst einziehen bzw. die Immobilie selbst nutzen.
Immobilien: Sicherheit ist relativ!
Ich wollte Sie mit diesem Text nicht davon abhalten, Immobilien zu erwerben. Im Gegenteil: Für den richtigen Investor mit dem passenden Risikoprofil sind Immobilieninvestitionen zweifellos hervorragend geeignet. Ich beobachte jedoch immer häufiger die Verkürzung von relativ komplexen Inhalten auf einfache Sluglines wie „Darum gewinnen die Sachwerte auf Dauer immer“. Ein professioneller Marktteilnehmer, der sich praktisch in Vollzeit mit der Thematik umgibt, kann entsprechende Aussagen leicht einordnen und als PR-Meldung ausmachen. Für den unbedarften Endkunden kann die Headline allerdings gefährlich werden, wenn er seine Lebensplanung auf den einfach gehaltenen Argumenten aufbaut. Hinterfragen Sie daher Texte, Meldungen und Argumente kritisch – auch meine – und bilden Sie sich Ihre eigene Meinung. Sie allein müssen mit den Konsequenzen Ihrer Entscheidungen leben!