Wie werden sich Wirtschaft und Immobilien im Jahr 2023 entwickeln? Diese Frage stellten sich rund 300 Immobilienmakler beim großen Immobilientag des IVD-Mitte in Bad Homburg. Die Vermittler sind angespannt. Bisher sah es im laufenden Jahr für Immobilien nicht gut aus – die Zinserhöhung schlägt auf die Nachfrage nach Immobilien zum Kauf. Der Markt stehe vor Herausforderungen, sagt Alexander Alter, Chef des IVD Mitte.
In der neuen Folge seines Podcasts bespricht Richard Nitzsche die Thesen der Chefvolkswirtin der Helaba, Dr. Gertrud Traud, die im Rahmen des Immobilientags des IVD Ihre Sicht auf die Entwicklung der Wirtschaft im Jahr und den Immobilienmarkt darstellte.
Drei Szenarien für die Entwicklung der Wirtschaft im Jahr 2023
Um den Herausforderungen des Immobilienmarkts und der Wirtschaft im Jahr 2023 angemessen begegnen zu können, gab Keynote-Speakerin Dr. Gertrud Traud, den anwesenden Maklern einen Einblick in die Tiefen und Untiefen der Weltwirtschaft. Ihr Fazit: Die Entwicklung läuft im Augenblick auf einem schmalen Grat in Richtung Erholung. Obgleich es wahrscheinlich sei, dass diese Erholungseffekte eintreten, gäbe es doch auch beträchtliche Chancen auf den Fehltritt und den Sturz in den Abgrund.
Entwicklung der Wirtschaft im Basisszenario: 65 Prozent Eintrittswahrscheinlichkeit
Ihrem Basisszenario, der schrittweisen Erholung aufgrund abflauender Inflation und Anspringen weiter teile der Wirtschaft, flankiert von Gewöhnungseffekten im Ukraine-Krieg und einem Ende des Zinserhöhungszyklus der Zentralbanken, rechnete sie 65 Prozent Eintrittswahrscheinlichkeit zu. Die Inflation befinde sich im Inland wieder auf dem Rückzug. Der Globa-Supply-Pressure-Index sei gefallen, die Lieferketten hätten sich entzerrt und auch die Transportpreise im Schiffsverkehr seien auf Vorkrisenniveau zurückgefallen. Der US-Dollar, als Fluchtwährung, weniger attraktiv für Marktteilnehmer, die nun wieder den Euro kauften und so auch Dynamik der importierten Inflation abbremsen.
Der tiefe Fall der Weltwirtschaft: Absturz mit 25 Prozent Wahrscheinlichkeit
Der Absturz der sich gerade erholenden Weltwirtschaft sei, so Traud, zumindest nicht ganz unwahrscheinlich. Die jüngste Bankenkrise oder eine chinesische Invasion in Taiwan könne die Erholungstendenzen vernichten und die Weltwirtschaft in den Abgrund reißen. Die Risiken seien vielfältig und auch für erfahrene Ökonomen und Notenbanker kaum zu überblicken. Die Entwicklung sei eine unsichere Fahrt auf Sicht, die – wie im Fall der Bankenkrise gesehen – kurzfristiges Umsteuern notwendig machen könnte.
Zinsen: Ende des Zinserhöhungszyklus erreicht?
Vor dem Hintergrund der Finanzkrise haben, so Traud, die Märkte ihre Zinserwartungen korrigiert. Der Markt rechnet lediglich mit moderaten Erhöhungen. Der Zinszyklus könnte unter 5 Prozent seinen Höhepunkt finden – vor der Finanzkrise seien die Erwartungen noch höher gesetzt. Unkenrufen, die Zinsen an die 7 Prozent prognostizieren, gibt Traud wenig Raum. Hier werde vernachlässigt, dass die Intensität der Erhöhung auch maßgeblich von der Veränderung zum Ausgangslevel geprägt sei. Daher misst sie dem jüngsten Erhöhungszyklus ausreichend Kraft bei, die Inflation abzubremsen.
Immobilienpreise: Rückgänge im Zuge des Einpendelns
Die Immobilienpreise müssten sich nun auf höherem Zinslevel einpendeln. Dies führe wohl zu weiteren Preiskorrekturen. Der Preis, den der Nachbar für sein Häuschen vor zwei Jahren erhalten habe, sei nun keine Diskussionsgrundlage mehr. Wer verkaufen wolle, müsse sich mit den niedrigeren Immobilienpreisen abfinden. Mit den Preisen, die die das Budget der Käufer bei den gestiegenen Finanzierungszinsen auch ermögliche.
Im vierten Quartal 2023 sehen die Banker der Hessischen Landesbank den US-Dollar bei 1,10 €, die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe bei 2,3% und den Deutschen Aktienindex DAX bei 16.000 Punkten. Sie erwarten einen Ölpreis von 89 $ für das Barrel Brent und sehen den Goldpreis mit leichten Abschlägen zu heutigen Kursen bei 1900 USD.