Immobilienkauf: Vom Mieter zum Käufer – die Herausforderung ist größer geworden!

In den vergangenen zwei Jahren hat sich der deutsche Immobilienmarkt dramatisch verändert. Die Zeitenwende für Käufer kam mit der „Zeitenwende“ in der Politik. Mit steigender Inflation stiegen die Zinsen. Die Kreditraten verteuerten sich und den Erwerb von Wohneigentum noch schwerer.
Gleichzeitig verschärft sich aber auch die Situation am Wohnungsmarkt, denn der Zustrom an Geflüchteten ist so hoch, wie nie zuvor. Bei geringerer Leistbarkeit von Eigentum, ist die Nachfrage nach Wohnraum so hoch wie nie zuvor. Zeitgleich wird weniger gebaut, weil sich mit höheren Baukosten und steigenden Zinsen keine Käufer für Neubauten finden. Die Folge: Der Exitus am Wohnungsmarkt, steigende Mieten, immer knapperes Angebot.

Dies bringt potenzielle Käufer in eine Situation, in der sie zwischen zwei  potenziell ungünstigen Szenarien wählen müssen: Höhere Miete oder fällt die Wahl doch auf das Eigentum. So oder so: Die Kosten für Wohnen steigen für die meisten großstädtischen Haushalte. Und dennoch bleibt der Erwerb von Wohneigentum ein Traum der Deutschen, oder?

Heizungsgesetz: Schatten auf den leuchtenden deutschen Traum vom Eigenheim

Aber auch dieser rosarote, leuchtende Traum vom Eigenheim musste in jüngerer Vergangenheit in Deutschland Schatten verarbeiten – unabhängig vom unter Druck geratenen Preis durch die steigenden Zinsen. Die Diskussion rund ums Heizungsgesetz, damit fallende – ja Teils kollabierende Immobilienpreise im Altbestand.  Ein zusätzlicher Katalysator, der bisher kaufwillige Mieter in ihren Mietwohnungen festhält. Steigende Verunsicherung lässt 2023 viele durchaus gutverdienende, potenzielle Käufer zögern, obwohl sie die Immobilie für sie auch bei gestiegenen Zinsen noch leistbar wäre. Einen echten Bogen machte Käufer in 2023 um Altbestand mit Sanierungsstau.

Dämmung, Isolierung, Wärmepumpe:

Drei Schlagworte, die zeigen, dass Eigentum verpflichtet – zum Leidwesen der oft betagten Hausbesitzer, die in gutem Glauben an das über Jahrzehnte vorherrschende, politische Narrativ vom Eigenheim ihre Altersvorsorge auf das Haus konzentriert hatten. Sie stehen nun in Teilen vor den Scherben einer Existenz, denn häufig gibt es ausser der Immobilie nicht mehr viel sonstige Ersparnisse. Der Käufer wird das Haus jedenfalls aktuell eher nicht anfassen, während Immobilien, die um die Jahrtausendwende oder später gebaut sind, die verbliebene Nachfrage nach Eigentum auf sich konzentrieren. Man ist sich der Verantwortung als Eigentümer bewusst geworden. Das neue deutsche Bewusstsein sieht das eigene Haus mindestens ebenbürtig zur Investitionschance als Verpflichtung an, bei dem die Folgekosten einkalkuliert werden müssen. So verengt sich der Fokus des Käufers auf „noch leistbare“ Immobilien, die zur gleichen Zeit über wenig Sanierungsstau verfügen. Der Hauskauf-Trend geht somit in Richtung eierlegende Wollmilchsau mit geringen Chancen auf baldige Besserung der angespannten Situation in beiden betroffenen Wohnungsmärkten, Miete und Kauf.

Diffuse Marktverhältnisse, schwammige Zukunftsaussichten

Sobald sich der Mieter vorsichtig auf die lange Reise zum Immobilienkauf begibt, beginnt er zwangsläufig, sich mit Zukunftsaussichten auseinanderzusetzen. Er kauft die Immobilie heute mit dem Wunsch, das Eigenheim mindestens 15, in deutscher Realität eher 40 Jahre zu halten. Obwohl der Blick in die Glaskugel schon immer eine Illusion war, schien die Zukunft doch vor wenigen Jahren noch kalkulierbarer. Seit 2020 befinden wir uns in einer Zeit, in der sich gefühlt alles ändert, in der sich früher als grundsätzliche Eckpfeiler unseres Lebens plötzlich verbiegen und aufweichen. Das geschieht an derart vielen Punkten, dass fast jeder eine Verunsicherung bemerkt: Eine Disruption durch die künstliche Intelligenz, diskutable Einschränkungen der Grundrechte und der Wirtschaftssubjekte seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie, wechselnde politische Strömungen, Krieg in Europa, der Klimawandel, wirtschaftlicher Abschwung mit Sorge um den eigenen Arbeitsplatz. Viele potenzielle Käufer können kaum die nächsten drei Jahre planen. Wie kann man von ihnen jetzt eine Investitionsentscheidung verlangen, die sie über die nächsten 35 Jahre bindet. Die neue Vielfalt der Medien schafft Meinungen, wie auch Verunsicherung. Der Käufer öffnet in der Mittagspause YouTube und lauscht einem Mädchen, das über 150.000 Follower und damit über eine entsprechende Reichweite verfügt, aber keine fundierte wirtschaftliche Ausbildung hat. Sie „informiert“ ihn über einen „geplanten Lastenausgleich“ . Es bleibt Verunsicherung. Der Käufer fragt: Wird mich das Treffen, wenn ich mir jetzt eine Immobilie kaufe.  Verunsicherung, in einer Zeit, in der sogar studierte Profis Probleme haben, das Marktgeschehen objektiv einzuordnen, in der Prognosen für mehrere Jahre zur Kaffeesatzleserei werden.

Objektive Beratung wäre für Käufer viel wert – aber würden sie auch dafür bezahlen?

In einer zunehmend verwirrenden (Immobilien-)Welt benötigen Käufer mehr als zuvor Beratung, die sich wirklich auf ihre Interessen fokussiert. Dies ist jedoch eine Seltenheit, schon deshalb, weil das Konzept der unabhängigen Beratung, der Honorarberatung, in Deutschland wenig verbreitet ist. Während des Kaufprozesses hat der Käufer Kontakt zu verschiedenen Personen- bzw. Berufsgruppen, die die Beratung des Käufers simulieren, jedoch eigentlich eigene Interessen verfolgen. Das beginnt beim Finanzierungs-„berater“, der eigentlich ein Kreditvermittler ist und von der Bank, deren Kreditpaket der Kunde zeichnet, eine satte Provision einstreicht. Ein besonders uneigennütziger Kreditvermittler wird dem Kunden vielleicht das beste Angebot suchen, selbst wenn er beim Verkauf des besten Angebots für den Kunden nur die zweit oder Vielt-beste Provision erhält; aber ich kann mich nicht erinnern, dass ich schon einmal von einem Kreditvermittler gehört hätte, der dem potenziellen Kunden gänzlich vom Kauf eines Eigenheims abgeraten hätte – nachdem er den Kreditnachfrager mühsam und teuer durch Anzeigenschaltung, Besuch von Messen, Networking oder mit der Hilfe von den begehrten Weiterempfehlungen akquiriert hat. Ebenso verhält es sich für Immobilienmakler, die dem Verkäufer im aktuellen Marktumfeld ebensowenig vom Verkauf seiner Immobilie abraten werden, wie dem Käufer vom Kauf – werden sie doch vollständig provisionsbasiert vergütet, würden sie doch ohne den Abschluss von Immobilientransaktionen schlicht verhungern.

Dazu eine in sich schlüssige Argumentation: Der „dumme Deutsche“ sei eben selbst für seine sogenannte Sparbrötchen-Mentalität verantwortlich, wegen derer eine unabhängige Beratungskultur im Land der Dichter und Denker noch nie eine Chance hatte. Im Ausland bestätigt sich in diesen, politisch umtriebigen, Tagen immer wieder das allseits geläufige Vorurteil: Der Deutsche wisse eben schon grundsätzlich alles besser. Das macht die Honorarberatung im Immobilienbereich obsolet.

Dem Hauskäufer in seinem Mikrokosmos nutzt die Argumentation leider wenig.. An wen soll er sich also wenden? Gibt es eine Institution, der Käufer noch vertrauen können? Könnte es gelingen, durch solide, aber komplexe Argumentation Mehrwerte zu schaffen? Oder steigt der interessierte Leihe dann doch schnell aus, wenn die Antworten zu komplex werden? Vertraut er dann doch lieber dem Kreditvermittler oder seinem Immobilienmakler. Beide klopfen ihm anerkennend auf die Schulter: „Das passt schon! Das wird schon!“
Vertraut er doch lieber dem Lastenausgleich-Mädchen oder dem bekannten Crashpropheten auf YouTube, weil sie ihm mit nachvollziehbaren, einfachen Antworten die Entscheidung abnehmen?Möchte der Käufer überhaupt noch verantwortlich sein, für seine eigene Entschiedung?

Unterm Strich bleibt die bahnbrechende Erkenntnis: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Käufer seinen Immobilienkauf bereuen wird, liegt in diesen Tagen genau bei 50% und wenn der Hahn kräht auf dem Mist, wird alles anders, oder es bleibt, wie es ist!

Richard Nitzsche ist Immobilienmakler in Frankfurt am Main, Autor des Mietercoach-Blogs, des Mietercoach-Ratgebers für die Wohnungssuche und Host des Immobilienpodcasts Richard Nitzsche – der Philosoph unter den Maklern

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