Die Immobilienbewertung online ist einfach und unkompliziert und der Eigentümer erfährt direkt den Wert seiner Immobilie. Zur Wertermittlung benötigt es nicht viel: Einige Angaben, fünf Minuten Zeit, Immobilienmakler bieten Tools zur Immobilienbewertung sogar kostenfrei an. Eine bessere Möglichkeit für den verkaufswilligen Immobilienbesitzer kann es doch nicht geben, oder vielleicht doch?
Online Bewertungen von Immobilien sind oft fehlerhaft!

Zur Beantwortung dieser Frage hilft der Blick hinter die Kulissen der Immobilienbranche. Wenn Sie Ihre Immobilie online bewerten, beispielsweise bei einem Immobilienportal oder bei einem Makler auf der Homepage, laufen im Hintergrund eine Reihe von Prozessen ab, um das Ergebnis zu generieren.
Online Immobilienbewertungen sind durch ein Vergleichsverfahren ermittelte Indikationen, die aus Kaufpreis- und Angebotspreise ähnlicher Immobilien errechnet werden.
Angebotspreise werden dabei von Immobilienportalen bezogen, viele der Portale bieten auch eigene Bewertungstools für Eigentümer an. Aus diesen Marktdaten wird der Wert der zu bewertenden Immobilie interpoliert und mit Zu- und Abschlägen versehen. Die Zu- bzw. Abschläge basieren auf den Eigenschaften der Immobilie, die der Besitzer in der Eingabemaske eingetragen hat.
Bildet die Datenbasis der Bewertung Kaufpreise ab, werden diese spezialisierten Portalen entnommen, die auf die Daten der Gutachterausschüsse zugreifen. Auch hier bildet das Programm Zuschläge und Abschläge auf der Basis der eingegebenen Spezifikationen.
Immobilienbewertung online: Datenbasis prüfen!
Falls Sie eine kostenpflichtige Immobilienbewertung nutzen wollen, sollten Sie sich somit im Vorfeld über die Datenbasis informieren. Bei kostenfreien Bewertungen finden Sie die Datenbasis im Disclaimer der Bewertung. Hier entnehmen Eigentümer auch den Haftungsausschluss unter der Betonung, dass es sich bei der Analyse lediglich um eine Indikation handelt. Übersetzt bedeutet das, Sie können den Anbieter für eine falsche Wertermittlung nicht verklagen (im Gegensatz zum Gutachter, siehe letzter Abschnitt des Beitrags).
So leicht kann es zu einer falschen Immobilienwertermittlung kommen
Schnell hält der Eigentümer jedoch eine falsche Bewertung seiner Immobilie in den Händen. Die folgenden Gründe kann eine falsche Marktwertermittlung über den Onlineanbieter haben:
- unzureichende Datenbasis
Häufig werden in den vom Eigentümer abgefragten Wohnlagen über die Jahre wenige bis gar keine Gebäude veräußert. Aus diesem Grund müssen die Programme auf „vergleichbare Wohnlagen“ zurückgreifen. Dabei orientieren sich die Programme bei ihren Lageeinschätzungen an weiteren Faktoren, beispielsweise am Bodenrichtwert.
Nun handelt es sich beim Bodenrichtwert um keine objektive Größe, sondern einen vom Gutachterausschuss festgelegten Wert, der für die jeweilige Lage nicht unbedingt den tatsächlichen Verkaufspreis der unbebauten Fläche abbildet. Vielfach subsumieren sich in der Festlegung des Bodenrichtwerts auch politische Komponenten. Umso schwieriger wird es vom Bodenwert in Lage A auf einen Bodenwert in Lage B zu schließen.
Eine weitere Größe im Algorithmus, um Lagen miteinander zu vergleichen, könnte sich aus der Infrastruktur ergeben: Distanz zu Schulen, Kitas, Autobahn und Flughafen, öffentlichen Verkehrsmitteln, Angeboten in naher Distanz, Entfernung zum Zentrum, usw. Auch hier ist eine Vergleichbarkeit nur eingeschränkt gegeben, denn der „Wohlfühlcharakter“ einer Lage definiert sich nunmal nicht allein über die Infrastruktur. Vielfach kauft der Selbstnutzer jedoch eben auf Basis des Wohlfühlens und ist bereit, dafür einen höheren Preis zu bezahlen. Stellen Sie sich eine Lage direkt am Flughafen vor. Hier existieren zwei Interprätationsmöglichkeiten: Gute Verkehrsanbindung, Jobmotor Flughafen vs. Lärm und vergifteter Luft. Welche Option trifft auf Ihre Lage zu?
- veraltete Datenbasis
Achten Sie bei Ihrer Wertermittlung unbedingt auf die Daten der Angebots- und Verkaufspreise. Ich hatte erst kürzlich Einblick in eine völlig fehlerhafte Wertermittlung, die über eines der großen Portale erstellt worden war. Beim Blick auf die Datenbasis fiel auf, dass der Großteil der Preise zwischen 2014 und 2017 erhoben wurde. Vor drei Jahren! Seit 2017 sind aber insbesondere die Kaufpreise flächendeckend um ein Vielfaches gestiegen.
- fehlerhafte Datenbasis
Insbesondere bei Bewertungen, die den Immobilienwert aus Angebotspreisen beziehen, wird ein standardisierter Abschlag auf den Angebotspreis definiert, eventuell zwischen 10 und 20 Prozent. Hier liegt die Annahme zu Grunde, dass der Verkaufspreis im Regelfall mit Verhandlungsspielraum ausgeschrieben wird. Der protokollierte Kaufpreis der Immobilie kann sich verglichen mit dem Angebotspreis jedoch in beide Richtungen entwickeln. Entweder handelt der Interessent nach unten, oder zwei oder mehr Interessenten treiben den Preis nach oben. Dieser Prozess findet „off Market“ das Wissen des Portals statt. Entsprechende Angaben sind in der Bewertung nicht inkludiert.
- Entwicklungsperspektiven der Immobilie werden nicht berücksichtigt
Ebenfalls ahnungslos sind Marktdatenservices auch über Entwicklungspotenziale in der Mikrolage. Steht vielleicht bald eine B-Plan Änderung an oder ergeben sich im kommunalen Parlament Faktoren, die den Wert ihrer Lage beeinflussen können? Bewerten Sie ein Gebiet, das nach §34 BauGB bebaut werden darf, aber wurde gerade eine Veränderungssperre, im Bestreben einen B-Plan aufzustellen, erlassen? Derartige Entwicklungen beeinflussen den Verkaufspreis der zu bewertenden Ergebnisse erheblich.
- Falsche Eingaben des Nutzers
Schließlich ist es auch möglich, dass der Eigentümer fehlerhafte Daten zum eigenen Objekt eingegeben hat. Sanierungsstand, Ausstattungsstandard oder dass schlicht wesentliche Daten weggelassen oder nicht berücksichtigt worden sind: Ist der Stellplatz Sondereigentum oder handelt es sich etwa nur um ein Sondernutzungsrecht?
Aus sämtlichen Ungereimtheiten ergeben sich teilweise beträchtliche Abweichungen. Das bedeutet auch, dass sich der Eigentümer nicht völlig auf die kostenlose Bewertung verlassen kann. Dies ist aber auch im Sinne der Anbieter. Denn die wollen mit den Bewertungen entweder Leads , die sie teuer verkaufen oder (als Makler) selbst versilbern können. Der Makler wird die Einwertung der Immobilie dann im Vor-Ort-Gespräch mit dem Eigentümer revidieren. Ziel ist dabei, den Maklervertrag zum Verkauf vom Eigentümer zu erhalten. Gerichte haben übrigens entschieden, dass es sich auch bei der persönlichen Marktwerteinschätzung vom Makler um eine Werbemaßnahme handelt und der Eigentümer im Ergebnis nicht unbedingt den Verkehrswert erfährt.
Eigentümer, die auf Nummer sicher gehen möchten, beim Verkauf nicht zu wenig zu bekommen, sollten einen unabhängigen Gutachter engagieren. Er ermittelt den Verkehrswert und ihn können Sie für fehlerhafte Berechnungen haftbar machen. Dabei ist der Verkehrswert der Kaufpreis, den Sie im „gewöhnlichen Geschäftsverkehr“ (§194 BauGB) erzielen würden. Übrigens muss der Gutachter zwei Verfahren anwenden, er kann dabei aus Ertragswertermittlung, Vergleichswertermittlung und Sachwertermittlung wählen, jedoch muss er seine Auswahl begründen. Ein Makler, so er sein Geschäft beherrscht, sollte dann abzüglich der Provision „mehr“ als den Verkehrswert beim Immobilienverkauf für Sie herausholen.
Ein Gedanke zu “Immobilie online bewerten: Wie zuverlässig ist die (kostenfreie) Immobilienbewertung im Internet?”