Mietpreisbremse: Placebogesetz trifft Realität

Am Mittwochabend bin ich im Magazin „Kontrovers“ des Bayerischen Rundfunks (BR) zum Thema Mietpreisbremse zu sehen. Hier meine Position zum Nachlesen:

Initiiert vom Juniorpartner der Koalition diente die Mietpreisbremse allein dazu, das unrealistische Wahlversprechen des „bezahlbaren Wohnraums für jedermann“ in einen griffigen Slogan zu verpacken.

Hier der Link zum Video, der Hauptteil wurde leider herausgeschnitten

Die Bezeichnung „Mietpreisbremse“ (eigentlich 2. Mietrechtsnovellierungsgesetz. ) und Hochglanzaufnahmen von Minister Maas posierend mit einer großen Notbremse, die so rot war, wie das Parteibuch des Ministers, perfektionierten den Marketing-Gag der Sozialdemokraten.

Der Immobilienbranche war schon vor der Einführung des Gesetzes bewusst, dass die Mietpreisbremse nicht funktionieren konnte. Die wieder einmal treffende Umschreibung „Murks nach Maas“ ist 16 Monate nach Inkrafttreten der Reform erkennbar. Die Mieten in deutschen Großstädten sind weiter gestiegen.

Die Mietpreisbremse ist ein Placebogesetz, das lediglich an den Symptomen der vermeintlichen Krankheit ansetzt, diese aber noch nicht einmal lindert. Der Kern des Nachfrageproblems nach Wohnraum in Ballungszentren wird ausgeblendet.

PROBLEM:
STEIGENDE NACHFRAGE NACH WOHNRAUM,
SINKENDE ATTRAKTIVITÄT DER WOHNRAUMVERMIETUNG

Die „BIG 7“-Metropolen Deutschlands wachsen kontinuierlich. Lifestyle- und Arbeitsmigration, Bevölkerungswachstum, aber auch die Zuzug durch Flüchtlinge führen zu beständig wachsender Nachfrage nach Wohnraum. Insbesondere im Segment des preisgünstigen Wohnraums ist der Nachfragedruck in Großstädten enorm. Der am Markt verfügbare Wohnraum bleibt weit hinter der Nachfrage zurück.

Durch höhere Regulierung und wachsende Bürokratie verliert die Investition in den Wohnungsmarkt für Anleger an Attraktivität. Wenn die Vermietung von Wohnraum teurer wird, flüchten private Investoren in andere Formen der Kapitalanlage. Regulierungsmaßnahmen, die die Vermietung von Wohnraum für den Vermieter verteuern sind z.B. Bestellerprinzip, die Energiesparverordnung oder auch die Mietpreisbremse, sollte sie nach einer eventuellen Nachbesserung greifen.

WARUM DIE MIETPREISBREMSE NICHT FUNKTIONIERT

Ausnahmeregelungen
Die Mietpreisbremse bietet zahlreiche Ausnahmen, die in ihrer Summe die Zahl der Wohneinheiten, auf die das Gesetz theoretisch Anwendung fände, reduziert.

1) Ausnahme für Neubauten
2) Ausnahme nach umfangreichen Sanierungen
3) Ausnahme für bestehende Mieten
4) Ausnahme für möblierte Wohnungen

Die Ausnahmeregelungen für die angegebenen Fälle wurden mit der Absicht gewählt, den Wohnungsbau nicht auszubremsen. Die Intension ist korrekt, lediglich die Regulierungsmaßnahme „Mietpreisbremse“ als solche ist falsch.

Keine Mietspiegel vorhanden
In vielen Gemeinden, in denen die Mietpreisbremse Anwendung finden würde, existieren keine Mietspiegel. Daher kann eine adäquate Prüfung nicht erfolgen.

Veraltete Mietspiegel
In vielen Fällen, auch in München, sind die im Mietspiegel ausgewiesenen Mietlevels niedriger, als die am Markt erzielten Bestandsmieten. Da Bestandsmieten von der Regelung ausgenommen sind, greift die Mietpreisbremse hier nicht.

Mieter: Anreiz zur Durchsetzung des Brems-Preises begrenzt
Der Anreiz von Mietern, die Regelungen der Mietpresbremse selbst durchzusetzen, ist begrenzt.

Ein aktives Bestehen auf Mietpreisbrems-Preise vor Vertragsschluss würde vermutlich in der Ablehnung des Mieters durch die Vermieterseite gipfeln. Ein Einfordern des Mieterrechts nach Vertragsschluss führt eventuell zu langfristigen Unstimmigkeiten mit dem Vermieter.

GEGEN DEN MARKT: VERSCHÄRFUNG DER MIETPREISBREMSE

Derzeit wird diskutiert, ob an dem löcherigen Gesetzespaket Verschärfungen vorgenommen sollen. Erneut blenden die Sozialdemokraten die Grundproblematik aus. Mit Gewalt und Gesetz niedrig gedrückte Mietpreise führen zwangsläufig zu unerwünschten Nebenwirkungen. Insbesondere die Mieter, denen die Mietpreisbremse eigentlich helfen sollte, würden hierdurch weiter geschwächt:

Eine funktionierende Mietpreisbremse…

… führt dazu, dass sich der Mieter bei der Bewerbung um eine Wohnung nicht mehr durch das Entrichten eines höheren Mietpreises von seiner Konkurrenz absetzen kann. Insbesondere Mieter, die für den Vermieter als Risikogruppen anzusehen sind, (z.B. Freiberufler mit kleinen Einkommen) verlieren die Möglichkeit eine Wohnung zu mieten, für die kein sicherer Mieter gefunden werden kann. Sie haben/ hatten vor der Mietpreisbremse die Möglichkeit, die sogenannte „Risikoprämie“ als Aufschlag auf die marktübliche Miete in Kauf zu nehmen.

…führt dazu, dass die Investition in Immobilien für private Anleger weniger attraktiv wird. Wenn der Anleger ein bestimmtes Renditelevel mit der Kapitalanlage nicht mehr erzielen kann, wird er sie veräußern. Bei dem derzeit niedrigen Zinsniveau wird der Wohnraum vermutlich von einem Eigennutzer oder (bei größeren Objekten) einem Investor erworben, der den Wohnraum in Eigentumswohnungen teilt und verkauft. Dem Markt wird so weiterer Wohnraum zur Miete entzogen und das Angebot sinkt weiter.

WAS TUN? LÖSUNGSANSÄTZE GEGEN WOHNUNGSNOT IN BALLUNGSZENTREN

Wechsel in der bundespolitischen Tonalität
Wählern und Bürgern darf die Realität der wirkenden Marktkräfte nicht länger verschwiegen werden. Weil Wohnraum in Großstädten auf absehbare Zeit begehrt bleibt und die Dynamik der Nachfrage tendenziell steigt, werden auch die Mieten weiter anziehen. Bezahlbaren Wohnraum für jedermann in den top-Lagen  zu versprechen, ist daher unrealistisch. Stattdessen sollten die Vorteile der Randlagen verdeutlicht werden.

Investitionen in Infrastruktur
Durch Investitionen in Infrastrukturprojekte, z.B. ständige Verfügbarkeit des öffentlichen Nahverkehrs rund um die Uhr und am Wochenende, könnte die Attraktivität von Randlagen erhöht werden. Attraktivere Randlagen entlasten die Nachfrage nach Wohnraum in den Innenstädten und wirken so entlastend auf die Preisbildung in den Top-Lagen.

Vergabeprozess für Wohnraum-Fördermaßnahmen beschleunigen und optimieren
Zuschüsse und Fördermaßnahmen für Wohnraum müssen diejenigen erhalten, die wirklich förderungsbedürftig sind. Kontinuierliches Monitoring der Bedürftigkeit ist entscheidend. Sobald Leistungen nicht mehr in dem bisher erbrachten Umfang benötigt werden – bspw. weil sich die Haushaltsgröße verkleinert hat, oder weil Arbeitsuchende wieder in ein Beschäftigungsverhältnis eingetreten sind – sollten diese unmittelbar reduziert oder eingestellt werden.

Vor dem Hintergrund des knappen Wohnungsangebotes ist auch eine Prüfung der Lage des zur Verfügung gestellten, geförderten Wohnraums interessant. Bei der Vergabe von gefördertem Wohnraum in zentralen Lagen sollten die förderungsbedürftigen Personen bevorzugt werden, deren Lebensmittelpunkt sich klar erkennbar in selbigen Lagen befindet.

Mehr geförderten Wohnraum schaffen
Der Neubau von gefördertem Wohnraum steht auf der Agenda von Metropolkommunen. Bei strukturierten Wohnungsbauprogrammen sollten Kommunen den Erwerb von städtischen Flächen an klare Vorgaben binden, um preisgünstige Vermietung zu erreichen. Dies beinhaltet aber auch, dass der Verkaufspreis unter dem am Markt erzielbaren Preisniveau angesetzt wird. Es ist bekannt, dass kommunale Flächen, auf denen sozial geförderter Wohnungsbau sinnvoll wäre, profitorientiert vergeben werden.

Mietrecht lockern und vermieterfreundlich gestalten
Die deutsche Rechtsprechung agiert mieterfreundlich. Dies erhöht das Risiko für den Vermieter, sobald im Mietverhältnis Probleme entstehen. Entsprechend tendieren Vermieter dazu, Wohnungsbewerber unter Risikogesichtspunkten abzulehnen, obgleich sich diese den angebotenen Wohnraum durchaus leisten könnten. Benachteiligt sind insbesondere Freiberufler mit moderaten Einkommen oder kurzer Tätigkeitshistorie, sowie Alleinerziehende oder Familien. Wird ein faires Gleichgewicht hergestellt, schwinden die Eintrittsbarrieren für potenzielle Mieter.

Zum Autor:
Richard Nitzsche ist Immobilienmakler in Frankfurt und München und Autor des Ratgebers für Mieter: Der Mietercoach: Ihre neue Wohnung SUCHEN – FINDEN – BEKOMMEN (Immobilienbuch Verlag).
Richard Nitzsche tritt regelmäßig als Experte für den Wohnungsmarkt in Ballungszentren auf, schreibt für die Wochenzeitung Frankfurter Stadtkurier eine Marktkolumne und publiziert auf dem Blog mietercoach.de seit 2014 Tipps, Infos und Wissenswertes zum Thema Mieten, Immobilien und Wohnungssuche. 

2 Gedanken zu “Mietpreisbremse: Placebogesetz trifft Realität

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