Zu bester Sendezeit war am Samstagabend auf dem Sender VOX die Reportage „Wohnwahnsinn“: Wo können wir noch leben?“ zu sehen.
Die Reporter begleiteten Wohnungssuchende. Die Kamera folgte unter anderem einer jungen Familie: (Wieder) schwangere Mutter mit Zwillingen, Vater und Kind auf der Suche nach einer 3-4 Zimmer Wohnung.

Folgende Suchkriterien nennt die Mutter auf Nachfrage: Die Wohnung soll um die 100 Quadratmeter Wohnfläche haben, nur in bestimmten Stadtteilen Münchens liegen, einen Fahrstuhl besitzen, falls sich die Immobilie in höheren Etagen des Gebäudes befinden sollte, und die Mietbelastung sollte weniger als 1000 € betragen. Vom Mitarbeiter der Stadt wird die Familie bei Ihrer Suche redlich unterstützt.
Im grundsätzlichen Subtext der Sendung schwingt die allgegenwärtige Not mit, man fände doch keine adäquate Bleibe. Dieses Schicksal teile die Familie mit Hunderttausenden in der Metropole. München sei dabei keine Ausnahme, denn die Mieten seien in den sogenannten Big Seven, Deutschlands Ballungszentren, in den vergangenen Jahren exorbitant gestiegen.
Dramatische Frage, einfache Antwort
Die Antwort auf die Frage „Wo können wir noch leben?“, wäre für die Familie so einfach zu beantworten: „Weiter draußen, wo die Mieten günstiger und die Mietwohnung weniger umkämpft sind.“ Warum hat der Mitarbeiter der Familie nicht zugerufen, dass sie in der Gemeinde Hallbergmoos, nur 31 km. / bzw. 34 Autominuten von der Münchner Maxvorstadt entfernt, 4 Zimmer und 121 Quadratmeter Wohnfläche für 900 € ab 1.11.2019 bekommen könnte? Im nordöstlichen Schwabhausen (Kreis Dachau) 28 km entfernt könnte die Familie 4 Zimmer, 117 Quadratmeter für 900 € kalt mieten. Bis ins Herz von München wäre die Familie 42 Minuten mit dem Auto unterwegs.Natürlich passt diese vergleichsweise simple Antwort schlecht in ein allgemeines Sendekonzept, das sich über die politisch aufgeladene Grundsituation von wachsenden Großstädten und höherer Nachfrage nach Wohnraum empört.
Damit steht der Fernsehsender VOX nicht allein, sondern setzt nur die ursprünglich politisch angestoßene Phrasenkette fort. Politiker sämtlicher Parteien konstatieren in stromlinienförmigen Mainstream-Sprech, es sei für Familien unzumutbar, außerhalb zu wohnen. Mehr Wohnraum müsse her. Man wolle sich für die Schaffung von „bezahlbarem“ Wohnraum einsetzen. „Bezahlbar“ wird hier implizit definiert mit weniger als 10,- € Kaltmiete pro Quadratmeter Wohnfläche. Die Parteien des linken Spektrums gehen noch einen Schritt weiter: Im Bestreben, die gesamte Mieterklientel zu bedienen, nicht allein die vergleichsweise wenigen Mieter, die sich gerade auf Wohnungssuche befinden, wollen sie zusätzlich die Mieterrechte stärken um Gentrifizierung zu verhindern. Die Mietpreisbremse und zuletzt der Berliner Mietendeckel sind Ergebnisse dieser Grundsatzprogramme. Verschwiegen wird dabei, dass es jede zusätzliche Stärkung der Mieterrechte insbesondere für Privatvermieter unattraktiver macht, an die angepeilte (Wähler-) Zielgruppe zu vermieten. VOX klärt auf: Eine Faustformel sei, dass die monatliche Mietbelastung ein Drittel des Haushaltseinkommens nicht übersteigen sollte. Hintergrund: Der Vermieter muss bei derart starken Mieterrechten nahezu sicher sein, dass der Mieter nicht in die Zahlungsunfähigkeit rutscht; hat der Mieter die Immobilie erst einmal bezogen, kann der Vermieter das Mietverhältnis praktisch nicht mehr beenden.
Zentrales Wohnen zum Schnäppchenpreis:
Naturgegebener Anspruch des WÄHLERS!
Kontinuierlich von Politik und Medien instruiert, begreift es die untere Mittelschicht inzwischen als Ihren naturgegebenen Anspruch, für geringe Miete in den Top-Lagen der Großstädte zu wohnen und ist nachvollziehbar aufgebracht, wenn ihnen dort einfach keine Wohnungen in dem von politisch vorgegebenen, „bezahlbarem“ Preisrahmen, zu Füßen liegen. So redet sich die Politik weiter und weiter in ihr eigenes Versagen, statt dem Bürger einfach mal die Wahrheit zu sagen: „Aktuell möchten mehr Menschen im Stadtzentrum wohnen, als Wohnraum vorhanden ist. Deshalb steigen die Preise. Wer viel verdient, kann sich die entsprechende Mieten leisten, wer weniger verdient, muss auf das Substitutionsgut ausweichen – eventuell eine Wohnung ohne Fahrstuhl mieten und figurfreundlich Treppen laufen, ins Umland ziehen oder proaktiv Lösungen finden, um seine Einkommenssituation zu verbessern.“ Stattdessen rezitiert man das Märchen vom bezahlbaren Wohnraum und wundert sich nach jeden Wahlen über Protestwähler.
Lösung: Erwartungen justieren, vororte und Infrastruktur stärken!
Wollen Politiker und Gesellschaft den kollektiven Unmut der früheren SPD Stammwähler in den Griff bekommen, und ich halte das für eine kollektive Aufgabe von Medien und Politik, sollten sie zunächst damit beginnen, die Erwartungen der Klientel an die Realität anzupassen und gleichzeitig sinnvoll in Infrastrukturprojekte investieren. Bessere Bahnverbindungen, fließender Verkehr, mehr Parkplätze in den Innenstädten. All dies könnte helfen, um das Thema Wohnen endlich vom Eis zu holen.