Bestellerprinzip: Und jetzt?

Das Bestellerprinzip beim Verkauf von Immobilien kommt. Für Immobilienmakler beginnt jetzt die Zeit der Wahrheit. 

Bestellerprinzip – mehr als nur ein Wort. Bestellerprinzip gilt inzwischen als Slogan, sogar als politische Grundhaltung, die deutschen Immobilienmaklern Albträume bereitet. Schon wieder. Erst vier Jahre ist es her, dass die GroKo das Bestellerprinzip bei den Mieten im

Wohnungssuche und Mietenwahnsinn: Experte Richard Nitzsche zugeschaltet von der Frankfurter Börse
Der Autor:  Richard Nitzsche 

Koalitionsvertrag verankert hat. Bis zu diese Zeitpunkt war Vermietung von Wohnungen, insbesondere in Großstädten, eine wahre Gelddruckmaschine. Mit der Verabschiedung des Koalitionsvertrages wurde Vermittlern bewusst: Es würde sie hart treffen, wenn der Vermieter die Maklerprovision bezahlen müsste. Welcher Eigentümer würde in Städten wie Frankfurt, München oder Berlin noch einen Vermittler engagieren? 

Bestellerprinzip bei den mieten: Makler wichen zurück, statt sich zu spezialisieren

Tipps und Tricks für die WohnungssucheDer Aufschrei war groß. Das gelle Geplärr der Vermittler war derart laut, dass es die Frage nach der tatsächlichen Wertschöpfung  des Maklers im Vermietungsgeschäft übertönte. Die Furcht vor herben Umsatzeinbußen vernebelte ihren Blick aufs Wesentliche. Die Albträume sollten zur Realität werden.  Viele Immobilienmakler zogen sich vollständig aus dem bis dahin lukrativen Geschäft mit Vermietungen zurück. Sie konzentrierten sich fortan auf den Verkauf von Immobilien und gaben bereitwillig wertvolle Marktanteile auf. Immobilienstartups drängten in den Markt und besetzten die aufklaffende Lücke im Dienstleistungsangebot. Doch nur Wenige konnten sich über die ersten Jahre retten, die meisten Anbieter erwirtschaften auch heute noch Defizite.

Makler konzentrierten sich auf den Verkauf

Bestellerprinzip beim Verkauf: Der VerfechterBeim Verkauf blieb noch alles beim Alten. Die Marktpreise stiegen und viele Vermittler konnten die Umsatzausfälle aus dem Mietgeschäft zügig kompensieren. Aber wer genau lauschte, hörte schon damals die leisen, doch immer lauter werdenden Forderungen, die eine grundlegende Reform des gesamten Maklerrechts anstrebten.  Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches? Ja – gerne. Eingriff in die Vertragsfreiheit? Egal. 

Der wähler hasst makler!

Die öffentliche Meinung verlangt einen Neustart. Die öffentliche Meinung hasst Makler! In einer Zeit, in der die Unsicherheit zur Sicherheit geworden ist,  in der sich Parteien gezwungen fühlen, Wähler mit populistischen Parolen zu ködern, in dieser Zeit ist ein Eingriff in die Grundrechte einiger Weniger nur ein kleines Opfer für eine höhere Wahlbeteiligung. „Keine Provision mehr für den Käufer, Bestellerprinzip beim Immobilienkauf: Der Gegnernieder mit dem gierigen Makler!“. Ein ausreichend signifikanter Informationsgehalt für eine 15 Sekunden Instagram-Story. Es ist Stoff, aus dem 2021 Wahlprogramme geschrieben werden und aus dem die Regierungsbilanz gestrickt ist! Es ist Stoff, der die unterdurchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne des gewöhnlich uninformierten Wechselwählers in geeigneter Form anspricht, um doch noch einmal ein Verlegenheitskreuz hinter das Feld der sterbenden Partei aus der ehemals „linken Mitte“ auf dem Wahlzettel zu setzen. 

Grosstädte: Makler profitierten von der starken Verkäuferseite

Podiumsdiskussion Makler Dirk Wohlfahrt, Prof. Michael Voigtländer (IW)
Bei der Podiumsdiskussion lieferten sich der Gegner des Bestellerprinzips: Makler Dirk Wohltorf (IVD), und der Befürworter Prof. Michael Voigtländer (IW) einen Schlagabtausch

Auch wenn es aus Sicht des IVD (Immobilienverband Deutschland) unverantwortlich sein mag, Gesetze nach Marktsituationen zu stricken, wird das „der-Verkäufer-bezahlt-den-Makler“-Gesetz die Asymmetrie im (derzeit) überhitzten Immobilienmarkt der Großstädte und in deren Speckgürteln korrigieren. Vermittler treten dann untereinander in einen fairen Wettbewerb. Endlich. Bislang konnten sich Immobilienmakler leicht hinter der überstarken Verkäuferseite verstecken. Dies war nicht nur ungut für den Käufer, es war auch ungut für die Qualität der Maklerleistung und für die Kostenstrukturen der Unternehmen. Denn in der vom Verkäufer beschützten, rosaroten Einkommenswolke, musste der Vermittler sein Angebot nicht hinterfragen und seine Betriebs- und Kostenstrukturen nie gegen den Wettbewerb behaupten und weiterentwickeln.

Wie notwendig ist der Makler für den Eigentümer?

In der neuen Zukunft müssen sich die Vermittler nicht nur gegen die leider zahlreichen Konkurrenten behaupten, sondern ausserdem den Wert ihrer Leistung vor dem dem Kunden rechtfertigen. Der Verkäufer fragt während der Entscheidungsfindung nicht: „Wie teuer ist der Makler“, er fragt zuerst: „Benötige ich einen Makler?“. Im Unternehmen nennt sich dieser Evaluierungsvorgang: Make or Buy? Es ist die selbe Frage, ob man für die hübsche Frisur wirklich einen Frisör benötigt, oder ob der selbsterstellte Haarschnitt von Mutti, mit der Papierschere einmal gerade am Kochtopf entlang, die Bedürfnisse des Konsumenten in befriedigender Form abbildet. Der Immobilienkäufer musste bislang den Gang zum Frisör wählen, und erhielt dann vom teuren Makler doch nur den Haarschnitt entlang des Kochtopfes.  

Die eigene MaklerLeistung einschätzen und bewerten (lernen)…

Ein Makler sollte seine Leistung zunächst einmal definieren. Dafür könnte der Immobilienmakler mit sich selbst hart ins Gericht gehen und sich ehrlich fragen: „Wieviel würde ich selbst einem fremden Makler bezahlen, wenn ich mir meine eigene Leistung einkaufen müsste. Wieviel wäre mir die Dienstleistung wert?“ (Make or Buy?)

Vorsicht: Konkurrenz!

Das wäre dann der vorläufige Angebotspreis seiner Maklerleistung. Nun müsste unser Exemplarmakler hoffen, dass keiner seiner Kollegen dem geneigten Verkäufer einen besseren Vorschlag unterbreiten könnte oder seine Leistung besser (lauter)  kommuniziert. Wird der Makler bei identischer Leistungsqualität unterboten oder übertönt, muss unser Exemplarmakler an seinen Kostenstrukturen arbeiten oder Insolvenz anmelden und einen anderen Beruf ergreifen. Unser Makler könnte beispielsweise Politiker werden. Das Berufsbild Politiker verfügt ebenfalls über keine Zugangsvoraussetzung. Das nennt sich dann Fortschritt. 

Beispiel für Weiterentwicklung

Makler Thomas Spenrath aus Hürth wird Sachverständiger
Makler Thomas Spenrath aus Hürth erstellt für seine Kunden nun auch Gutachten als geprüfter Sachverständiger

Makler, die sich schon früher über den Wert ihrer Leistung Gedanken gemacht haben, könnten nun einen entscheidenden Vorsprung im Rennen um den Verkäufer mitbringen. Auf der Sprengnetter-Innovationstagung im Januar waren einige von Ihnen zugegen. Thomas Spenrath, Immobilienmakler aus Hürth, hat die Jahrzehnte seiner Markterfahrung monetarisiert. Als Dekra-zertifizierter Sachverständiger bietet er nun qualifizierte Wertgutachten an. Ein Angebot im Immobilienbereich, das häufig benötigt und stark nachgefragt wird: Bei Erbschaft, Trennung, Schenkung und vor dem Verkauf. Demnächst steht die Zertifizierung nach DIN EN 17024 an. Die Qualifikation von Sachverständigen mit der Zertifizierung ist mit derer von öffentlich bestellten Sachverständigen vergleichbar. Einmal zertifiziert kostet das qualifizierte Gutachten von Spenrath schnell einige tausend Euro.  

Neuer Markt, neue Geschäftsmodelle!

„Die Geschäftsmodelle der Makler werden sich ändern“, ist auch Prof. Michael Voigtländer vom Institut für Wirtschaft (IW) überzeugt, doch Qualität werde sich durchsetzen. Ein Eingriff ins bestehende Recht schafft neue Abläufe mit Optimierungspotenzial. Auch sei es möglich, dass sich  die Immobilienportale nach der Reform durch eine Vorwärtsintegration im Vertriebskanal einklinken werden. Es überlebt, wer sich langfristig beim zahlenden Kunden profilieren kann. Die übrigen Immobilienvermittler werden verschwinden. Gerade dies sei eine große Chance für die Maklerbranche, meint Voigtländer, denn dann könne sie sich endlich vom zweifelhaften Image reinwaschen, das sich in den vergangenen Jahrzehnten um den Berufsstand Immobilienmakler aufgebaut hat. 

…Und der Suchkunde?

Aber was wird aus dem Suchkunden?, fragen die Makler, die die Illusion einer Immobiliensuche für den Käufer nach dem Mieten-Kaufen-Wohnen-Prinzip aufrecht erhalten möchten. Im Mietbereich werde der Interessent nach der Einführung des Bestellerprinzips kaum noch bearbeitet und erhält wenig Beratung, gibt auch Prof. Voigtländer zu. Er mahnt, im aktuellen Gesetzgebungsverfahren aus den Fehlern zu Lernen, die des Bestellerprinzips bei den Mieten zweifellos aufweist. Es müsse für beide Parteien gleichermaßen möglich sein, einen Makler zu beauftragen.  

Hier muss die Politik sorgsam klären und abwägen, an welcher Stelle die „Objektsuche“ beginnt und mit welchen Kriterien sie endet. Ein komplexes Unterfangen – verfügen Politiker doch über das Tagesgeschäft eines Immobilienmaklers im Regelfall eine ebenso detaillierte Kenntnis, wie über Tagesgeschäft eines Frisörs, der ausschließlich Topfhaarschnitte anbietet. 

Vor dem Internet: Veraltetes Maklerrecht

Und dennoch liegt es durchaus auch in der Verantwortung politischer Akteure,  die Frage nach dem Mehrwert der Maklerleistung in ein angemessenes Verhältnis zu setzen. Bei aller Kritik an einer Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches §§652 ff. Ist doch zu berücksichtigen, dass der noch gültige Gesetzestext einer analogen Epoche entstammt, in der schon der Nachweis einer Vakanz als Maklerleistung zu werten war. Im globalisierten Medienzeitalter vervollständigen Immobilienbörsen den Marktüberblick des Intermediärs, und begrenzen gleichermaßen seinen Einflussbereich. Auch bei der Maklertagung vom Sprengnetter scheint die unter den anwesenden Maklern vorherrschende Meinung akzeptiert, sogar bei erklärten Gegnern des Bestellerprinzips, dass ein Provisionsanspruch des Maklers über tausende oder gar zehntausende Euro heute nicht ausschließlich durch den Zuruf / die Nennung einer Adresse begründet werden könne. 

Regulieren, nicht verbieten!

Auch Gesetze dürfen mit der Zeit gehen und nach modernen Kriterien aktualisiert werden. Ungut sind jedoch Gesetze, die Märkte beschneiden und Angebot und Nachfrage künstlich zurückdrängen oder verschieben; ein besseres Beispiel als die Mietpreisbremse wäre dafür kaum zu finden. Nach der Einführung des funktionsunfähigen Bremsgesetzes stieg die Anzahl der möbliert vermieteten Immobilien, beispielsweise im Raum München, dramatisch an; diese Immobiliengattung ist von den Regelungen der Mietpreisbremse ausgenommen. Das Angebot findet seine Nachfrage und der Markt sucht sich seinen Weg. Immer. Schlimmstenfalls begünstigen schlechte Reformen illegale Aktivitäten; denken wir an die Prohibition der 1920er Jahre in den Vereinigten Staaten, die einer kriminellen Subkultur zu gesellschaftlichem Aufstieg, Wohlstand und politischem Einfluss verhalf. 

Mut zur PRagmatik!

Der ehrliche Makler, der den Gesetzen folge leistet – dabei handelt es sich tatsächlich um die erschlagende Mehrheit der Vermittler – wird sich auf das Angebot der Leistung beschränken, die ihnen von der Gesetzgebung zugestanden wird und die sich gleichermaßen profitabel realisieren lässt. Verhindert der Gesetzgeber durch eine Novelle die Beratung des Suchkunden, wird sich der Makler darauf einstellen müssen. Ein Geschäftsfeld bricht weg. Und doch wiederum eine Chance, die eigene Tätigkeit auf dem übrig gebliebenen Geschäftsfeld zu optimieren. Ein pragmatischer Ansatz. 

ISt das Bestellerprinzip beim Kauf ein Fehler?

Wenn keine (erfolgsabhängige) Beratung des Interessenten mehr existiert, wenn Kaufinteressenten nach einigen Jahren Unterschriften sammeln, um das Gesetz erneut auf den bisherigen Standard zurück zu ändern, wenn die Partei Zulauf erhält, die sich aktiv für das konservative Maklerrecht einsetzt, dann haben die Makler Recht behalten, die mit Einführung des Bestellerprinzips beim Immobilienverkauf eine eine Abwertung der Verbraucherrechte befürchten. Anderenfalls wird sich das Paradigma des Berufsbildes „Immobilienmakler“ geändert haben, vom unabhängigen Intermediär zum weisungsgebundenen Vertriebs-„Knecht“ des Verkäufers. 

Wir Makler, Wir Vertriebs-Knechte!

Ich unterstelle, dieser Paradigmenwechsel geht nach der Einführung ziemlich geräuschlos von statten. Der Urheber des Terminus Vertriebs-„Knecht“, der Makler Wulff Äengevelt, aber auch die redlichen Branchenvertreter des IVD, haben in ihren Ausführungen nicht berücksichtigt, dass die große Mehrheit der Immobilienmakler schon heute überwiegend auf der Objekt- und Verkäuferseite tätig ist. Eine Objektsuche für den Interessenten im Mieten-Kaufen-Wohnen-Stil wurde in jüngster Vergangenheit in Großstädten oder großstadtnahen Lagen nicht praktiziert. Zu hoch ist die Fragmentierung der Maklerbranche, zu gering sind die Marktanteile der Einzelmakler; zu groß sind auch die Vorbehalte der Interessenten, sich mit einem echten Suchauftrag an einen bestimmten Makler zu binden! Dirk Wohltorf, Immobilienmakler in Berlin-Brandenburg und Vorsitzender des IVD Berlin-Brandenburg, macht auf der Sprengnetter-Innovationstagung in Fulda klar, er arbeite 80 Prozent seiner Arbeitszeit für den Interessenten.
Aus meiner Sicht ist Wohltorf die große Ausnahme: Wäre seine interessentenorientierte Geschäftspraxis in der Maklerbranche üblich gewesen, hätte die politische Motivation der Änderung im Maklerrecht, der wir aktuell entgegenblicken, niemals einen derart breite Zustimmung beim Wähler gefunden.

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