Vergangene Woche waren potenziell fallende Immobilienpreise das bestimmende Thema in der Immobilienbranche, nachdem eine (kurz und mittelfristig) düstere Prognose Marktteilnehmer, Makler und Investoren im Immobilienmarkt schockierte. Eine Woche später scheint die schlechte Presse für den Immobilienmarkt gekonnt ignoriert und die Akteure gehen zum Tagesgeschäft über. Alle Marktteilnehmer? Nein. Der prominente Makler, Thomas Aigner, mahnt in der Rückschau Branche und insbesondere die Presse zur Besonnenheit: Nicht alles schlecht schreiben!, titelt er seinen neuen Kommentar und betont, der Wohnraummangel sei „mit dem Virus nicht weg“. Wohnen werde auch weiterhin als Grundbedürfnis gelten. Die Immobilienpreise sieht Aigner stabil, weil in den Ballungsräumen Wohnraum weiterhin ein Mangelprodukt bleibe. Aigner ist überzeugt, dass „Wohnimmobilien in den Metropolen diese Krise sehr gut überstehen werden“, obgleich auch er kurzfristig mit Notverkäufen im Wohnimmobilienmarkt rechnet.
Dabei er sich auf einer Linie mit der empirica Studie von vergangener Woche. Wer das vielzitierte Papier dann einmal persönlich aufschlägt, wird feststellen, dass die empirica-Analysten zwar kurzfristig einen Einbruch der Immobilienpreise vorhersagen, langfristig jedoch mit einer Stabilisierung der Immobilienpreise, bzw. dem Pendant zu der Marktbewegung, die Bösenexperten als „Recovery“ bezeichnen, rechnen.
Es sei falsch, sich von den derzeitigen Umständen verunsichern zu lassen. Den Immobilienmarkt begreift Aigner als langfristig orientiert, Investoren sollten sich von kurzfristigen Preisknicken nicht aus der Reserve locken lassen: „Wer spekuliert und nur die kurzfristige Perspektive im Sinn hat, hat am Immobilienmarkt ohnehin nichts verloren!“, schreibt Aigner.

Strukturelle Verschiebungen im Wohnimmobilienmarkt nach der Coronapandemie?
Ich hatte jedoch auf diesem Blog schon diverse Überlegungen angestellt, die Coronakrise könne zu einer strukturellen Verschiebung der Nachfrage nach Wohnraum in Ballungszentren führen. Diese Hypothese lässt Aigner in seinem Kommentar unberücksichtigt.
Andere Experten, beispielsweise der bekannte Immobilienökonom Prof. Michael Voigtländer (IW Köln), verfolgen ein ähnliches Gedankenspiel: Die Coronakrise könne zu einem Umdenken von Arbeitgebern und der Mentalität am Arbeitsplatz beitragen, das künftig das Arbeiten im Homeoffice stärker präferiert – das Gedankenspiel stellte Voigtländer in einem Interview mit dem Morgenmagazin von ARD und ZDF am Dienstag vergangener Woche an.
Dieser Bewegung könnte sich einerseits die Nachfrage nach Gewerbeimmobilien unterordnen, jedoch auch der Bedarf nach Wohnraum angleichen: Stärker gesucht wäre dann Wohnraum, der über ein zusätzliches Arbeitszimmer verfügt. Singles würden verstärkt nach 3-Zimmer-Wohnungen suchen, Familien hielten nach 4-5 Zimmer-Wohnungen Ausschau. Zu Verlierern könnten dementsprechend sehr kleine Wohnungen werden. Gemessen am Preis pro Quadratmeter standen kleine Objekte noch bis kurz vor der Coronakrise hoch im Kurs.
IW Studie aus der KW 17/2020 zum Wohnimmobilienmarkt: Seitwärtsbewegung oder leichte Preisabschläge prognostiziert
Eine brandaktuelle Studie vom 19.04.2020 lässt Marktteilnehmer des Immobilienmarkts in dieser Woche eventuell aufatmen: Das IW Köln unter Federführung des bereits zitierten Ökonoms Michael Voigtländer erkennt, basierend auf den Indikatoren „Bautätigkeit, Kreditvergabe und kalkulatorische Wohnutzerkosten“ derzeit noch keine empirisch nachweisbaren Veränderungen am Markt für Wohnimmobilien. Die Studie wurde von der Deutschen Reihenhaus AG in Auftrag gegeben.
Unterm Strich rechnen die Ökonomen Oberst und Voigtländer mit lediglich einer leichten Preisreduktion oder sogar nur mit einer Seitwärtsbewegung. Im Worst-Case-Szenarion seien jedoch Preisrückgänge im Durchschnitt von bis zu 17 Prozent möglich, wenn die Risikoprämien wie in der Finanzkrise ansteigen würden.
Aufatmen im Frankfurter Mietmarkt
Im Mietmarkt gewöhnen sich Mietinteressenten, Vermieter und Makler an die neue Situation: Auch mein Unternehmen hat die Arbeit wieder vollständig aufgenommen, jedoch die zugrundeliegenden Prozesse mussten an die neuen Rahmenbedingungen, ausgelöst durch die Corona-Pandemie, angepasst werden.
Dieser unvorbereitete „Sprung ins Kalte Wasser“ kostete bis in den April hinein Arbeitsproduktivität, treibt jedoch das Thema Digitalisierung gleichermaßen voran. Die Anfragen nach Mietobjekten im Frankfurter Raum befinden sich auf dem Weg der Normalisierung. Die Nachfrage hat nach den Ostertagen wieder deutlich zugelegt.
Wohnungsbesichtigung trotz Corona: Besichtigung mit Mietern wieder aufgenommen
Unsicherheit und Angst vor Jobverlust gestiegen
Gleichermaßen bleibt wohl dennoch die Angst bei vielen Nachfragern nach Wohnraum zur Miete. Dies leitet sich aus steigenden Zugriffszahlen für zwei Beiträge dieses Blogs ab: Zunächst scheinen mehr Personen als vor der Krise ihr noch relativ frisch bestehendes Mietverhältnis auflösen zu wollen, denn ein Beitrag zum Kündigungsausschluss wird bei identischem Ranking durch Google deutlich häufiger angeklickt. Die Interpretation des Anstiegs ist variabel: Zunächst könnte die Ursache in neuer finanzieller Unsicherheit liegen, es wäre aber auch möglich, dass sich über die Dauer von Ausgangsbeschränkungen, Isolation oder Quarantäne lebenspartnerschaftliche Beziehungen in eine ungeplante Richtung entwickelt haben.
Weiterhin verzeichnet auch der Mietercoach-Beitrag zur Wohnungssuche ohne Beschäftigung spürbar höhere Zugriffszahlen. Dies deckt sich mit der Schlagzeile der Bildzeitung vom Dienstag „Jobangst ist größer als die Angst vor Corona.“
Weitere Immobilien-Themen der KW 17/2020
US-Immobilienmarkt: Baubeginne gefallen, Erstanträge auf explodiert
Volkswirte dürften ihr Augenmerk in den nächsten Wochen und Monaten auf die USA richten. Vergangene Woche meldeten die US-Behörden katastrophale Konjunkturzahlen: Das US-Verbrauchervertrauen fällt, die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe explodieren. Die Baubeginne im März sind im Vergleich zum Februar dramatisch eingebrochen.
Immobilien-Themen aus den vergangenen Wochen
Berichte aus dem Immobilienmarkt: Alle Wochenberichte im Überblick
Zu den Immobilien-Themen (KW 16/2020): Corona killt Kaufpreise: Immobilienboom beendet
Zu den Immobilien-Themen (KW 15/2020): Coronakrise: Branche erwartet fallende Immobilienpreise – Immobilienmarkt vor dem Crash?
Zu den Immobilien-Themen (KW 13+14/2020): Corona-Alltag: Immobilienmarkt auf der Suche nach neuer Normalität
Zu den Immobilien-Themen (KW 12/2020): Coronavirus friert Immobilienbranche ein: Angst vor fallenden Immobilienpreisen
Zu den Immobilien-Themen (KW 11/2020): Corona-Crash: Immobilienmarkt fürchtet Bankenpleiten
Zu den Immobilien-Themen (KW 10/2020): Corona-Virus, WG-Mieten, Mietendeckel
Ein Gedanke zu “Wohnungsmarkt: Alles beim Alten – nur anders! (Immobilien-Themen KW 17/2020)”